Die schleswig-holsteinische CDU diskutiert den Umgang mit jugendlichen Intensivtätern – die Meinungen darüber sind äußerst geteilt.

Norderstedt. Mit einem scharfen Zehn-Punkte-Programm für die Bekämpfung der Jugendkriminalität hat sich die schleswig-holsteinische CDU zu Wort gemeldet (wir berichteten). Doch an der Norderstedter Parteibasis stößt das Programm nur auf ein geteiltes Echo. Während der CDU-Fraktionsvorsitzende Günther Nicolai "genau seine persönliche Meinung" mit dem Programm bestätigt sieht, bezeichnet der stellvertretende Fraktionschef und überparteilich anerkannte Jugendhilfeausschussvorsitzende Joachim Murmann das Programm "als den Auftakt für das Sommerloch und lediglich den Versuch der CDU, im Wahlkampf das Feld Innere Sicherheit zu besetzen".

In dem Zehn-Punkte-Programm setzt Parteichef Christian von Boetticher den Fokus auf jugendliche Mehrfachstraftäter, die aus seiner Sicht besonders die Menschen im Hamburger Umland bewegen. Von Boetticher hält die Einrichtung von geschlossenen Heimen für diese Intensivtäter nach dem Hamburger Vorbild auch in Schleswig-Holstein für denkbar. Außerdem möchte die CDU den jugendlichen Kriminellen den Führerschein abnehmen und deren Eltern an Kosten für Polizeieinsätze beteiligen.

"Zweimal sagt man: Lass das nach! Dann knallt's!", sagt Günther Nicolai

Für Günther Nicolai ist die Einweisung eines jugendlichen Mehrfachtäters in ein geschlossenes Heim die "Ultima Ratio". "Dabei kommt es auf die Einzelfallprüfung an: Wenn der Täter durch Freiheitsentzug zu beeindrucken ist, dann kann so ein Heim Sinn machen", sagt Nicolai. Im Übrigen sei das Programm ganz nach seinem Geschmack und entspreche dem, "was wir zu Hause das Oldenburger Recht nennen". Nicolai: "Zweimal sagt man: Lass das nach! Und wenn dann nichts passiert, knallt es." In Norderstedt sei die Situation aber grundsätzlich besser als in anderen Städten des Landes. "Die Polizei, die Staatsanwaltschaft, das Amtsgericht, das Jugendamt und die präventiven Hilfsangebote für die Jugendlichen sind bestens vernetzt", sagt Nicolai.

Konkret: 420 von 555 in Norderstedt registrierte Jugendstraftaten wurden 2010 Intensivtätern zugerechnet. Als Intensivtäter gelten in Norderstedt annähernd 25 Personen zwischen 14 und 21 Jahren. In den ersten drei Monaten 2011 gab es nur noch 51 Ermittlungen gegen Intensivtäter. Wolf Reinhard Wrege, Gerichtsdirektor des Amtsgerichtes Norderstedt, rechnet im laufenden Jahr mit "einem Rückgang um bis zu 50 Prozent". Für Jugendstrafsachen gebe es in Norderstedt einen Terminvorlauf von höchsten zwei Wochen. Das sei dem beispielhaften Zusammenspiel zwischen dem Norderstedter Staatsanwalt Christopher Sievers und der Jugendrichterin Claudia Naumann zu verdanken, so Wrege. Es sei gelungen, "eine messbare Beeindruckung der Szene" zu erreichen.

Wolfgang Banse, Jugendsachbearbeiter bei der Polizei Norderstedt-Mitte und im Kriminalpräventiven Rat engagiert, bestätigt das: "Die jugendlichen Straftäter in Norderstedt haben Muffe - ein Ding, und die gehen weg." Und zwar nicht in den Arrest, sondern gleich in den richtigen Knast. Die Situation um die Intensivtäter habe sich in der Stadt beruhigt, weil ein Teil der Serientäter einsitze.

Statt geschlossener Heime lieber gut vernetzte Präventionsarbeit

Vor dem Hintergrund dieser beispielhaften Bilanz sieht Joachim Murmann nicht mehr viel Substanz im Zehn-Punkte-Programm seiner Partei aus Kiel. "Wir brauchen keine geschlossenen Heime. Wir fangen mit unserer guten Präventionsarbeit eine Unmenge von Fällen ab, bevor sie sich dramatisch entwickeln können. Den gemeingefährlichen Intensivtäter gibt es so in Norderstedt eigentlich gar nicht mehr", sagt Murmann. Durch die "hervorragende Jugendrichterin Claudia Naumann" folge in Norderstedt die Strafe tatsächlich noch auf dem Fuß, innerhalb von acht bis vierzehn Tagen. Für Joachim Murmann ist das Programm deswegen eher der Versuch von Boettichers, mit dem markigen Law-and-Order-Thema im Wahlkampf Stellung zu beziehen. "Die suchen eben Felder, die sie besetzen können", sagt Murmann.

Auch bei der Norderstedter Landtagsabgeordneten Katja Rathje-Hoffmann stößt nicht alles in dem Zehn-Punkte-Programm auf Akzeptanz: "Was die geschlossenen Heime angeht, da habe ich noch erheblichen Diskussionsbedarf. Das Einsperren von jugendlichen Straftätern sollte nach Möglichkeit bis zum Schluss vermieden werden." Grundsätzlich stehe sie aber hinter dem Programm. "Es ist der richtige Schritt in die richtige Richtung." Es werde nicht überall im Land "so hervorragend Recht gesprochen wie in Norderstedt", sagt Rathje-Hoffmann. "Mit der toughen Jugendrichterin Claudia Naumann haben wir in Norderstedt eben Glück gehabt", sagt die Landtagsabgeordnete. In anderen Kommunen seien die Maßnahmen des Programms durchaus sinnvoll.

Natürlich wolle die CDU mit dem Programm ihr innenpolitisches Profil schleifen. Die Landtagsabgeordnete Rathje-Hoffmann: "Wir sind im Wahlkampf. Da ist das legitim."