Kieler Landgericht verurteilt 62-jährigen Mann aus Norderstedt wegen sexuellen Missbrauchs zu dreieinhalb Jahren Haft

Kiel/Norderstedt. Durch seine sexuellen Übergriffe, die er allerdings bis zuletzt vor Gericht vehement bestritt, hatte der charmante Endfünfziger mit dem grauen Schnauzer ein tiefes Zerwürfnis zwischen Mutter und Tochter ausgelöst: Nachdem er der geschiedenen Frau aus Norderstedt das Jawort entlockt hatte, schlich er sich nachts ins Zimmer ihrer schlafenden, 19 Jahre alten Tochter und berührte sie unsittlich.

Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen heißt dieser Tatbestand im Strafgesetzbuch. Wegen ähnlicher Taten, auch an Kindern, wurde der mittlerweile 62-jährige ehemalige Rettungssanitäter aus Norderstedt jetzt vom Kieler Landgericht zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. In dieses Strafmaß floss eine zweieinhalbjährige Vorstrafe wegen schweren sexuellen Missbrauchs der Stieftochter mit ein.

Zwei Drittel dieser Haftstrafe, die das Landgericht bereits im Jahr 2007 verhängt hatte, hatte der 62 Jahre alte Angeklagte bereits abgesessen. Da meldete sich aus Angst vor seiner Entlassung seine jüngere Stieftochter als ein weiteres Opfer zu Wort. Das zwölfjährige Mädchen war ebenfalls von ihrem Stiefvater nachts im Schlaf belästigt worden. Ihr muss der Angeklagte jetzt ein Schmerzensgeld in Höhe von 3500 Euro zahlen.

Nach den traumatischen Erfahrungen ihrer großen Schwester hatte sich die Jüngere nach eigenen Angaben zunächst zum Schweigen entschlossen. Der vermutliche Grund, warum sie sich in all den Jahren niemanden anvertrauen wollte: Die ältere Schwester musste damals die gemeinsame Wohnung verlassen, weil die Mutter ihr die ungeheuren Vorwürfe einfach nicht glauben wollte. Zu glücklich war sie mit ihrem neuen Ehemann. Inzwischen hat sie ihn allerdings vor die Tür gesetzt.

Vor Gericht sah sich der Angeklagte einem Komplott ausgesetzt. Nachdrücklich und redegewandt habe er sämtliche Vorwürfe aus dem Tatzeitraum zwischen den Jahren 2006 bis 2008 zurückgewiesen, sagte der Vorsitzende der Jugendkammer, Stefan Becker, in der Urteilsbegründung. Doch, so betonte der Richter, habe man nicht den geringsten Zweifel an ihrem Wahrheitsgehalt. Bei allen drei Opfern, zu denen auch eine Reiterfreundin der jüngeren Stieftochter gehörte, schloss die Kammer eine falsche Belastung aus. Dafür gebe es keinerlei Motiv.

Die detaillierten Darstellungen der Zeuginnen seien über Jahre hinweg konstant geblieben und offenbarten "eine Vielzahl von Realkennzeichen", betonte Stefan Becker. Eine von ihnen erinnerte sich beispielsweise noch sehr lebhaft an das laute Atmen des nächtlichen Eindringlings, der sich bei seinen Taten mit einem Duftspray zu stimulieren pflegte. Durch festes Zubinden ihrer Pyjamahose, berichtete die Zeugin weiter, habe sie damals weitere Übergriffe verhindern können. Auch die Schilderungen ihres Schamgefühls überzeugten das Gericht.

Der Angeklagte, so die übereinstimmenden Aussagen der drei Zeuginnen, habe am nächsten Morgen immer so getan, als wäre in der Nacht zuvor überhaupt nichts vorgefallen. Diese Selbstdarstellung behielt der 62 Jahre alte Norderstedter nun auch bis zum Ende des Prozesses vor dem Landgericht bei, indem er während der Urteilsbegründung immer wieder demonstrativ den Kopf schüttelte. Seine blonde Begleiterin im Gerichtssaal schien von dem Auftritt des Angeklagten offensichtlich sehr beeindruckt. Nach der Sitzung ließ sie sich von ihrem Kavalier in die Weste helfen.