Nach den Gurken stehen nun Sprossen unter EHEC-Verdacht. Verbraucher und Händler sorgen sich

Kreis Segeberg. Andrea Schlecht ist am vergangenen Freitag aus Texas nach Hamburg gekommen. Sie wusste bereits, was sie erwartet. "Etwa vor einer Woche haben die US-Medien in großer Aufmachung begonnen, über die EHEC-Epidemie in Deutschland zu berichten", berichtet sie, während sie in der Gemüseabteilung des Hofladens auf dem Gut Wulksfelde in Tangstedt steht. "Gleichzeitig wurde bekannt, dass die Amerikaner einen Importstop für Gemüse aus Deutschland verhängt haben." Andrea Schlecht, die drei Monate in Deutschland bleibt und dann wieder nach Texas zurückkehrt, kauft auf dem Gut Wulksfelde Gemüse ein - auf Gurken und Salat aber verzichtet sie vorsichtshalber.

Auf dem Gut Wulksfelde haben gestern die Alarmglocken geklingelt. Sprossen wurden sofort aus dem Hofladen verbannt. Im Geschäft wurden viele Arten von Sprossen verkauft, die über den Naturgroßhandel Grell aus Kaltenkirchen bezogen werden. Dieses Unternehmen kauft die Bioware vom Direkterzeuger Deiters & Florin aus dem Hamburger Vier- und Marschlande. Aber über den Lieferservice hat das Gut Wulksfelde auch Sprossen aus dem umstrittenen Biobetrieb in Bienenbüttel im Landkreis Uelzen vertrieben. Endverbraucher im Großraum Hamburg, dazu gehören auch Norderstedt und Hamburg, haben diese Sprossen bekommen. "Etwa 2000 Kunden wurden in den letzten acht Wochen damit beliefert", sagt Betriebsleiter Rolf Winter. Restaurants seien nicht beliefert worden. Auf dem Gut Wulksfelde selbst werden keine Sprossen gezogen und geerntet.

Für die Kaltenkirchener Firma Grell Naturkost war der Sprossenverdacht gestern ein herber Schlag. "Wir haben sofort alle Auslieferungen von Sprossen gestoppt", sagt Einkaufsleiter Norbert Schick. "Unser Umsatz ist am Boden." Dabei betont er, dass Grell keine Geschäftsbeziehungen zum Gärtnerhof in Bienenbüttel, hatte. Auch Sprossenlieferant Deiters & Florin aus Hamburg habe keine direkten oder indirekten Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmen. Die umfangreichen Analyseergebnisse der Produkte von Deiters & Florin hätten alle einen Negativbefund.

Der Biobetrieb Kattendorfer Hof hat nach den gestrigen Meldungen über den EHEC-Verdacht auf Bienenbütteler Sprossen ebenfalls die Notbremse gezogen. Im Hofladen Kattendorf wurden zwar keine Bienenbütteler Sprossen verkauft, dafür aber im Stadtladen Eimsbüttel - allerdings in einem sehr begrenzten Umfang. "Etwa drei Packungen pro Woche auf Vorbestellung", sagt Betriebsleiter Mathias von Mirbach. Die Ware wurde aus dem Verkehr gezogen.

Die Kunden reagieren gelassen und pragmatisch. Susanne Stolle hat gerade bei ihrem türkischen Gemüsehändler am Harksheider Markt Gurken eingekauft, kleine Gurken und eine große aus Holland. "Wir haben einfach Heißhunger auf Gurken. Aus den kleinen mache ich Salat, aus der großen backe ich mit Tomaten, Oliven und Schafskäse ein leckeres, vegetarisches Gericht", sagt Stolle. Ihre Kinder würden außer Gurken kaum Gemüse essen und Blattsalate erst recht nicht. Sojasprossen kommen bei ihr ohnehin nicht auf den Tisch. "Ich wundere mich nicht, dass es nach den Gurken die Sprossen sein sollen, die riechen auch immer schnell muffelig", sagte Stolle.

Auch Manfred Pleus regt sich nicht mehr auf über die ständig wechselnden EHEC-Verdächtigen. Der Norderstedter hat sich gerade im China-Restaurant "Mongolei" am Harksheider Markt einen Rohkost-Teller zusammengestellt und isst dazu chinesische Nudeln mit Sojasprossen. "Man muss es nicht übertreiben, und so lange ich nicht weiß, was los ist, esse ich, was mir schmeckt", sagt der Norderstedter.

Die frischen Sojasprossen hat "Mongolei"-Inhaberin Shixin Wang gerade aus dem Frische-Büfett entfernt. Und gegen Gurken ausgetauscht. "Die sind nun wohl nicht mehr verdächtig", hofft sie. Für das Nudelgericht werden die Sojasprossen in der Küche auf 70 Grad erhitzt und gebraten. Die Gurken kommen aus Holland, die Tomaten und Sprossen auch. "Wir kaufen beim türkischen Belem-Gemüsehändler ein, einem regionalen Importeur, da weiß ich, was ich habe", sagt Wang.

"Ein Gast hat uns vom Sprossen-EHEC-Alarm erzählt, da habe ich sofort alle entsorgt, obwohl die Sprossen aus Holland kamen", sagt Cuiju Wong, Inhaberin des China-Restaurants "Lee Ho Foo" an der Ulzburger Straße 398 in Norderstedt. 20 Kilo Sprossen hat ihr Koch vernichtet, Blattsalate würden ohnehin nicht mehr serviert. "Das ist ein großer Verlust für uns", sagt Wong. Außerdem würden die Gäste jetzt weniger essen gehen.