Die Operette von Ralph Benatzky hat am 10. Juni Premiere auf der Waldbühne der Landesgartenschau

Norderstedt. Klärchen könnte noch etwas beleidigter gucken. Die Chorsängerin in der ersten Reihe steht zu weit links. Dafür sitzen die feschen Dirndl knackig, die Puffärmel stehen so prall, als würden sie gleich platzen. Die Bustiers sind in Herzform geschneidert, viele Farben sehen so giftig nebeneinander aus, als würden sie sich gleich beißen. Kostümbildnerin Almut Blanke hat viele kleine, amüsante Details in die Kostüme eingebaut.

Marina Mello und ihr Maskenbildner-Team greifen tief in die Schminktöpfe. Das Rouge leuchtet auf den Wangen der Mädels, die Lippen sind zum Küssen schön geschminkt, die Haare mal adrett, mal nett und auch kokett aufgedrechselt.

"Ihr sollt aber nicht nur schön sein, sondern kleine Widerhaken in diese Schönheit setzen, damit's prickelt", sagt Regisseur Frank Düwel, während Dirigent Frank Engelke seinem Orchester vor den ersten Tönen ein tiefes Durchatmen verordnet.

Die Premiere zur Aufführung der Operette "Im weißen Rössl" rückt näher, das Lampenfieber steigt, die Stimmung im Ensemble ebenfalls, alles gute Voraussetzungen für prickelnde Aufführungen der Operette von Ralph Benatzky. Am Freitag, 10. Juni, ist die Premiere auf der Waldbühne, der Open-Air-Bühne auf der Landesgartenschau in Norderstedt. Um 19 Uhr geht es los.

"Der österreichische Schmäh muss richtig rauskommen, deshalb nehmen wir die Operette auch besonders ernst, schließlich soll es keine Parodie werden", sagt Regisseur Düwel, den die Musikschule für die fünfte Musikproduktion der Stadt verpflichtete.

"Die Operette hat eine große Tradition, was wir aber unbedingt vermeiden wollen, ist 50er-Jahre-Mief", sagt Düwel. Für das gesamte Team ist die Open-Air-Situation auf der Waldbühne eine Herausforderung, deshalb wählte die Musikschule für das Singspiel in drei Akten die Fassung "Bar jeder Vernunft", die ein kleines Musik-Ensemble vorsieht, eine Kur-Kapelle. "Wir inszenieren das Spiel genau für die Waldbühne und beziehen den arenahaften Zuschauerraum ein", sagt Düwel.

Sein Ziel: Eine Aufführung zu kreieren, die die Zuschauer verwandelt. Der Chor spielt eine gestresste Großstadt-Clique, die sich in ein Landvolk verwandelt. Rock für Rock, Hose für Hose und Hut für Hut tauschen sie ihre Berliner Klamotten gegen Dirndl, Krachlederne und Jäger-Hütchen. Es gibt Tanz- und Badeszenen und ein Bühnenbild (Ulrich Borowski) mit einem stilisierten Pferd als Hauptelement, das sich immer wieder auf wunderbare Art verwandelt, mal zur blauen Wasserwelle, dann wieder zum roten Pferd wird und neue, symbolhafte Kulissen baut, deren Linien sich sogar in den Kostümen von Solisten und Chor wieder finden.

Die "Rössl"-Gäste schippern per Dampfer an, der Kaiser wird von einem Spielmannszug begleitet und ist nicht etwa Österreichs Franz Joseph, sondern Norderstedts Herbert I., gespielt von Herbert Paschen, Ex-Stadtvertreter und seit 50 Jahren Amateurschauspieler. Er ist der Märchenerzähler am Stadtparksee, der das vertrackte Liebes- und Intrigenspiel zum Happy End führt und die renitente "Rössl"-Wirtin Josepha zur Vernunft bringt.

Die singt und spielt die Oper- und Operettensängerin Simone Voicu-Pohl. Josepha himmelt den falschen Mann an und merkt nicht, dass Zahlkellner Leopold nach ihr schmachtet. Erst als er ihr die Kellnerkluft vor die zarten Füße knallt, wacht die falsch verliebte Wirtin auf. Voicu-Pohls Sopran ist kraftvoll und füllt auch die Open-Air-Bühne.

Das Objekt ihrer Begierde, der schnöselige Hotelgast Dr. Siedler, gibt Ralf Hutter, ebenfalls gut bei Stimme. Leopold wird von Philip Lüsebrink gesungen und gespielt, der schon viele große Opernpartien gestaltet hat. Antje Przywara als Ottilie begeistert schon bei den Proben mit einem hellen, klaren Sopran, und Norderstedts Zauberer Marcel Kösling kommt als schöner Sigismund mit kesser Berliner Schiebermütze und Gamaschen. Den polterigen Berliner Fabrikanten Giesecke spielt Jens Rainer Kalkmann, Klärchen ist Desiree von Delft, Hinzelmann ist Sven Dahlem. Auch Norderstedts Polizist Kai Hädicke-Schories ist wieder dabei, diesmal als Postbote. Für den Tanz sorgt Choreografin Anna Musci. Den Chor leitet Thomas Plath. Die Gesamtleitung hat Musikschulleiter Rüdiger George.

Aufführungen: 10. Juni (Premiere), 11. bis 13. und 16. bis 19. Juni, 19 Uhr, Waldbühne auf der Landesgartenschau, Eingang Stormarnstraße. Karten zu 25 Euro (Stuhl), 19 Euro (Sitzstufe) und zwölf Euro (Rasenböschung) gibt es im Vorverkauf, unter weissesroessl@norderstedt.de und an der Abendkasse. Wer im Dirndl oder Krachlederner kommt, zahlt fünf Euro weniger. Im Eintritt zum "Weißen Rössl" ist der Eintritt zur Landesgartenschau enthalten, sodass die Zuschauer ab 18 Uhr die Gartenschau besichtigen können.