Die Bürger der Rolandstadt laufen Sturm gegen die Pläne für den Bau der Autobahn 20. Den Planern liegen mehr als 500 Einwendungen vor

Bad Bramstedt. Durchs Wohnzimmerfenster blickt Gerhard Wasmus über den Garten auf Felder und Knicks. Geht er durch die Haustür hinaus ins Freie, hört er, wie der Wind in den Bäumen rauscht. Manchmal, sagt der Bramstedter, dringen die Geräusche eines Rasenmähers vom Golfplatz herüber.

Der 68-Jährige liebt die Ruhe in diesem Haus, das am südwestlichen Zipfel der Kurstadt steht. Anders kann er sich das Leben hier kaum vorstellen, hier war es schon immer still. Früher gab es nicht einmal den Golfplatz und den Rasenmäher. Wasmus ist hier aufgewachsen und hat mit seiner Frau Gertrud in dem Gebäude zwei Kinder groß gezogen. "Hier ziehe ich nicht weg", sagt er. "Dafür bin ich zu alt."

Wenn Gerhard Wasmus in einigen Jahren aus dem Wohnzimmer blickt, wird in 450 Metern Entfernung ein Wall über die Wiesen und Felder verlaufen. Sechs Meter hoch wird die Autobahn 20 die Landschaft zerschneiden. 23 800 Autos pro Tag erwarten die Verkehrsplaner, davon 5830 Lastwagen. Gerhard Wasmus erwartet vor allem eines: Lärm. Weil die Autobahn über einen Wall verlaufen wird, fürchten er und viele Bramstedter eine ungehinderte Ausbreitung des Krachs, der die Idylle am südlichen Stadtrand schlagartig beenden wird. Meistens kommt der Wind in dieser Gegend aus Südwest, er wird Lärm und Abgase direkt von der Trasse in die Wohngebiete treiben.

Viele Bewohner der Kurstadt wollen das nicht hinnehmen und kämpfen. 500 Einwendungen aus Bad Bramstedt gegen die Autobahnpläne haben die Fachleute beim Landesamt für Straßenbau und Verkehr in Itzehoe bereits erhalten. Auch Wasmus gehört zu den Bürgern, die sich wehren wollen. Ein Rechtsanwalt soll ihm dabei helfen. "Wir müssen kämpfen", sagt der Rentner.

Nur wenige Bramstedter interessieren sich nicht für die A 20

Auf seinem Wohnzimmertisch hat er Papiere ausgebreitet. Die Karten sind so groß, dass sie an den Tischkanten herunterhängen. Wasmus hat Akten gelesen und Briefe geschrieben. Auch seine Nachbarn aus dem schicken Wohnpark Bissenmoor kämpfen gegen die Autobahn. Zur ersten Protestversammlung im Haus des Golfclubs kamen 80 Besucher. "Es leben hier nur wenige, die sich nicht für die Autobahn 20 interessieren", sagt Wasmus.

Die Bramstedter Wutbürger glauben, dass ihnen einen lärmende Autobahn vors Haus gesetzt wird, die niemand braucht. "Der Bedarf ist nicht nachgewiesen", sagt Wasmus. Bei einer Anhörung in Bad Segeberg sei es den Planern aus Itzehoe nicht gelungen, überzeugende Zahlen zu präsentieren, die den Bau einer Autobahn quer durch das südwestliche Holstein rechtfertigen würden. Dass er mit diesem Hinweis allein die A 20 nicht verhindern kann, ist Wasmus bewusst. Er hat noch mehr Argumente parat. Zum Beispiel glauben er und seine Mitstreiter, dass die Eingriffe in die Natur und die Schäden geringer ausfüllen würden, wenn man die Autobahn auf vorhandenen Trassen bauen würde. So könnte man die A 20 von Bad Segeberg kommend auf der bestehenden Bundesstraße 206 verlaufen lassen und in einem Nordbogen auf der Ortsumgehung um Bad Bramstedt herum verlaufen lassen. Oder man führt die Autobahn über die Bundesstraße 205 nach Neumünster und baut sie entlang der Bahnstrecke Hamburg-Flensburg bis nach Itzehoe. Bei beiden Varianten bliebe das südliche Bad Bramstedt vom Lärm und von einer neuen Trasse verschont.

Viele Bürger der Stadt fühlen sich von den Planern "betrogen"

Seitdem im Jahr 2005 die sogenannte Linienführung der A 20 im Süden der Stadt vom Bundesverkehrsministerium in Berlin festgelegt wurde, fühlt sich Wasmus betrogen. "Ich habe immer geglaubt, dass bis zum Ende des Planfeststellungsverfahrens noch alles offen ist", sagt der Bramstedter. Beendet ist dieses Verfahren noch lange nicht. Die Einwender, die sich gegen die Trasse wehren, haben bislang noch nicht einmal Antworten bekommen. Doch bereits im vergangenen Dezember hatte ein Spitzenbeamter des Kieler Verkehrsministeriums Wasmus mitgeteilt, dass eine Neuplanung unrealistisch sei. "Das ist mir unbegreiflich", sagt Wasmus. "Dem Bürger wurde immer suggeriert: Noch ist alles offen". Als er dann in dem Schreiben auch noch las, dass bereits eine "detaillierte parzellenscharfe Entwurfsplanung fertig sei, fühlte sich Wasmus veralbert.

Er macht sich auch Sorgen um den Gesundheitsstandort Bad Bramstedt. Wasmus wundert sich, dass von den Kliniken und Hotels im Kurgebiet kein Protest gegen die A 20 zu hören sei. "Dabei führt die Autobahn haarscharf dort vorbei", hat Wasmus bei einem Blick auf seinen Planungsunterlagen festgestellt. "Es kommt keine Resonanz von dort."

Wenn es bei der Südtrasse bleibt, wird der "Trog" gefordert

Und was geschieht, wenn beim Planfeststellungsverfahren der Bedarf doch anerkannt wird und es bei der Südtrasse bleibt? "Dann wollen wir den Trog", sagt der Bramstedter. Er will nicht akzeptieren, dass die A 20 per Brücke über die Bundesstraße 4 und die AKN verlaufen soll. Vielmehr könnte man die Autobahn buchstäblich tiefer in einen Trog legen und unter der B 4 und der Eisenbahn hindurch fahren lassen, so dass sich der Schall sich nicht ungehindert über Wiesen und Felder ausbreiten kann. Noch besser wäre es nach Ansicht der Bramstedter, wenn der Trog 200 Meter südlich der jetzt geplanten Trasse gebaut werden könnte.

Diese Forderungen haben auch die politischen Gremien der Stadt erhoben. Bad Bramstedt lehnt zwar nicht wie manche Nachbarkommunen das gesamte Projekt ab, will aber die Belastungen für die eigenen Bürgerinnen und Bürger reduzieren. Um die Forderungen durchzusetzen, fährt die Stadt Bad Bramstedt eine Doppelstrategie: Sie hat ihre Einwände beim Planfeststellungsverfahren zu Protokoll gegeben. Außerdem sollen Gespräche mit dem Verkehrsministerium für weiteren Druck sorgen, um die Bramstedter Position durchzusetzen. Die sympathischste Lösung hat nach Wasmus Ansicht der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister vor wenigen Wochen ins Spiel gebracht. Er will auf die A 20 mit der Nordumfahrung Hamburgs und der Elbquerung bei Glückstadt verzichten und stattdessen östlich der Hansestadt eine Autobahn bauen. "Dass er sich durchsetzen könnte, ist ein Hoffnungsschimmer", sagt Wasmus.

In Schleswig-Holstein hat sich der Niedersachse mit seinem Vorschlag jedoch nicht nur Freunde geschaffen. Die Kieler Landesregierung soll erkennbar gereizt auf die Gedanken McAllisters reagiert haben.

Wasmus will kämpfen, doch eines will er nicht: klagen. "Dafür fehlt mir das Geld", sagt der 68-Jährige.

Lesen Sie morgen, warum die Planer sich für die aktuelle Trasse entschieden haben.