Im Kreis Segeberg werden Teststrecken mit Duftschaum und Reflektoren ausgestattet

Kreis Segeberg. Mit speziellen Spritzpistolen "bewaffnet" stapfen die Männer durch den Segeberger Forst und platzieren einen beigefarbenen Klecks nach dem anderen in Astgabeln. "Ungefähr in 80 Zentimetern Höhe muss der Schaum versprüht werden", ruft Hermann Fedrowitz den beiden Männern zu, die ganz offensichtlich Spaß an ihrer Arbeit an der Bundesstraße 206 in Bark-Schafhaus haben.

Fedrowitz ist vom ADAC und ein ausgewiesener Duftzaun-Profi. Und die Männer, denen er den Umgang mit einem ganz besonderen Stinke-Spray beibringt, sind der Jäger Bernhard Meyer und der Wissenschaftler Christian Trothe. Die drei Männer eint ein Ziel: Sie wollen diesen Straßenabschnitt, auf dem sich immer wieder Wildunfälle ereignen, sicherer machen. Mit diesem Duftschaum, der bestialisch stinkt.

Der Schaum soll dem Wild in die Nase steigen, um so Leben zu retten

"Passen sie bloß auf, dass sie sich damit nicht vollkleckern - das Zeug macht einsam", scherzt Fedrowitz. Er hat Erfahrung. Der Schaum soll dem Wild in die Nase steigen und es abhalten, blindlings über die Straße zu flitzen - und womöglich zu sterben. Denn der Schaum stinkt nach Feind.

"Da ist Bär, Wolf, Luchs und Mensch drin", versucht Fedrowitz die Mixtur, die natürlich geheim ist, zu beschreiben. Also Gerüche, die das heimische Wild scheuen lassen. Auf diese Wirkung setzen die Männer.

Trothe ist Wissenschaftler beim Göttinger Institut für Wildbiologie. Er hat hier eine von rund zwei Dutzend Streckenabschnitten in Schleswig-Holstein in einem Forschungsprogramm, das fünf Jahre dauern soll. Dieser Abschnitt zwischen Schafhaus und Wittenborn gehört dazu, weil es hier besonders oft kracht.

60 Wildunfälle ereignen sich Jahr für Jahr quasi vor Meyers Haustür

Das hört Bernhard Meyer, der direkt an der Bundesstraße 206 wohnt, immer wieder: "60 Wildunfälle", schätzt er, ereignen sich Jahr für Jahr quasi vor seiner Haustür. Die meisten bekommt er mit, ungezählte allerdings nicht: "Wer hier nachts und am Wochenende ein Reh totfährt, meldet sich oft nicht - weil er besoffen ist", vermutet er.

Meyer und Trothe platzieren alle paar Meter ein Schaumdepot an Bäumen. In Zweierreihen mit zehn Metern Abstand, auf beiden Seiten der Bundesstraße 206. Dieser Abschnitt und all die anderen, an denen Bäume "geimpft" werden, sollen fünf Jahre von Jägern betreut werden. So wie auch ein Abschnitt in Groß Niendorf. Dort hat Jäger Klaus Stolten 2010 auf einem nur 300 Meter langen Abschnitt der Bundesstraße 432 knapp 20 der über 2000 kreisweiten Wildunfälle erfasst. Zum Glück ohne Personenschäden. Meist überleben die angefahrenen Tiere den Aufprall nicht.

Die Schaumdepots funktionieren nur, wenn sie regelmäßig gefüllt werden

Nach fünf Jahren will Trothe auch dort Bilanz ziehen, um zu sehen, ob der Duftzaun Leben von Reh-, Rot- und Damwild gerettet hat. Fedrowitz hat daran keinen Zweifel: "Wo der Schaum eingesetzt wurde, hat es um 70 bis 80 Prozent weniger Unfälle gegeben." Vorausgesetzt, die Schaumdepots würden alle zwei Monate nachgeimpft.

Parallel zu den Duftzäunen will Trothe in Kooperation mit dem ADAC und dem Deutschen Jagdverband in der 250 000 Euro kostenden Untersuchung gefährliche Abschnitte im Land mit speziellen Reflektoren versehen. Jeweils zwei werden an die Leitpfosten geschraubt. Halten auch sie das Wild davon ab, in Autos zu rennen? Blau sind die Reflektoren (Stückpreis: 5,50 Euro), "weil sie dem Wild Alarm signalisieren". Sie wirken nur im Dunkeln, wenn sie angeleuchtet werden - "das soll die Aufmerksamkeit der Tiere erhöhen und auf eine Gefahrenquelle hinweisen, sodass sie stehen bleiben und sich orientieren, statt einfach über die Straßen laufen".

Da es keine Langzeituntersuchungen zu den Reflektoren gibt, "werden wir erst in fünf Jahren wissen, ob und wie sie wirken", sagt Wissenschaftler Christian Trothe. Fedrowitz ist skeptisch, hält mehr von Duftzäunen. Wo Reflektoren eingesetzt wurden, hätten sie zwar geholfen, weiß er. "Aber nur so lange sie neu sind - und bis das Wild sich daran gewöhnt hat." Außerdem wirkten sie nur nachts.

Was letztlich mehr hilft, ist Meyer egal: Er will, dass weniger Tiere auf der Bundesstraße 206 totgefahren werden. Vielleicht wäre dies bereits der Fall gewesen, wenn vor seinem Grundstück nicht ein Wildwechsel-Warnschild, das dort jahrelang stand, abgebaut worden wäre. Begründung der Behörden: "Der Schilderwald soll gelichtet werden."