1600 Square-Dance-Freunde trafen sich in Norderstedt. “Wir suchen die sportliche Herausforderung“, sagen die Veranstalter

Norderstedt. Young Man!" Nach mehr als 30 Jahren werden die Village People nicht müde, den YMCA zu besingen. Noch einmal: "Young Man!" hallt es erneut durch die Moorbekhalle in Norderstedt. Jetzt ist Will Burr dran: "Circle left" und gleich darauf "Swing!" Streng im Text des Disko-Knallers der Village People ruft der Amerikaner Schlag auf Schlag seine Kommandos ins Mikrofon. Und dann kommt der Refrain, der die Petticoats zum Fliegen bringt: "YMCA!" Cowboystiefel, Sandalen und Turnschuhe sausen über den Hallenboden, der mit den Spielfeldmarkierungen für Handballer und Basketballer überzogen ist. Den Tänzern ist das egal. Was zählt schon der Sieben-Meter-Raum, wenn Walt jetzt plötzlich zum Takt der Village People "Circle right!" ruft, und alle folgen.

Der Amerikaner Walt mit der blitzenden Nickelbrille und dem grauen Borstenhaarschnitt gehört zu den Callern (Ansagern), die am Wochenende bei der Spring Jamboree in Norderstedt den Freunden amerikanischer Volkstänze buchstäblich gesagt haben, wo es langgeht. 1600 Gäste aus ganz Europa verbrachten drei Tage damit, gemeinsam zu tanzen und zu feiern. Fünf Hallen hatten die Organisatoren von der Europäischen Vereinigung amerikanischer Square-Dance-Clubs belegt. Shuttle-Busse sorgten für einen regen Austausch der Tanzfreunde.

"Wir sind hier, um Spaß zu haben", sagt Torsten Ueckermann, der zum Organisationsteam der alljährlichen Spring Jamborees gehört. Wer hier seine Runden dreht und Formationen tanzt, denkt nicht an Urkunden oder Pokale. "Wir suchen die sportliche Herausforderung", sagt Ueckermann. "Aber das ist kein Wettbewerb."

"Man muss die Tänzer sehr genau im Blick haben", sagt Walt Burr

Square Dance ist der Favorit bei den Freunden traditioneller amerikanischer Tanzkultur, doch auch Varianten gab es in Norderstedt zu sehen. Zum Beispiel Round Dance mit Elementen von lateinamerikanischen und Standardtänzen oder das Clogging, einer Art Stepptanz mit Gruppendynamik. Ohne Ansager kommen die Tänzer nicht aus. Square-Dance-Veteran Walt darf sich Caller nennen. Beim Clogging übernimmt der Instructor die Aufgabe, das Tanzvolk in geordnete Bahnen zu lenken.

Walt bemüht sich, keine Unordnung auf der Tanzfläche zu schaffen. "Man muss die Tänzer sehr genau im Blick haben", sagt der Amerikaner, der nach seiner Pensionierung die US-Luftwaffe verließ und seitdem mit seiner Freundin in München lebt. Zu viele Kommandos, zu schnelle Wechsel - da kann der Square Dance schnell zum Pogo werden.

Mindestens 68 Kommandos, die während eines Liedes ins Mikro gerufen werden, muss ein Anfänger kennen. Mitten in der Bewegung aufmerksam zu bleiben und blitzschnell dem Caller zu folgen - das ist die große Herausforderung. Echte Könner haben mehrere Hundert Figuren parat, die auf Zuruf abgerufen werden können.

Walt hat seine jeweils achtköpfigen Gruppen ("Square") im Griff. "Das ist ein Hobby, das mein Leben bestimmt", sagt er. Im vergangenen Monat trat er bei einem Festival in Schweden als Caller auf, demnächst reist er in die Niederlande. Im April fliegt er in die Heimat des Square Dances und seiner Familie - in die USA.

Auch Olga Liutkevich ist für ihr Hobby keine Reise zu weit. 28 Stunden war sie mit der Eisenbahn von ihrer Heimatstadt Murmansk im hohen russischen Norden nach St. Petersburg unterwegs, stieg dann ins Flugzeug und erreichte nach mehreren Zwischenstationen Norderstedt. Konzentriert, anmutig und mit akkurat gebügelter, schneeweißer Bluse geht die blonde Russin aufs Parkett. Das Design ihres Rocks erinnert an die Trachten russischer Volkstanzgruppen.

Stolz erzählt die Deutschlehrerin, dass der Square Dance sogar jenseits des Polarkreises viele Freunde hat. 20 Mitglieder gehören zu den "Polar light dancers". Olga ist die Präsidentin und freut sich über die Existenz von vier weiteren Vereinigungen mit russischen Anhängern der leichten amerikanischen Tanzmusik. Ein fünfter soll demnächst in Kaliningrad, dem einstigen Königsberg, entstehen.

Die Nacht verbringen Vater und Sohn im Familienkombi

Zwei Ottifanten küssen sich auf dem Teilnehmerschild von Henry Schumacher. Der Elfjährige ist mit Vater, Mutter und Großeltern aus Emden angereist, der Heimat des ostfriesischen Witzbolds Otto, der sich die knutschenden Rüsseltiere ausgedacht hat. Henry dreht souverän mit den Erwachsenen seine Runden auf dem Parkett und verpatzt keine Figur. Dass kein weiteres Kind in Sicht ist, stört Henry nicht. Nur zu Hause sollen die Kumpel nichts von seinem ungewöhnlichen Hobby erfahren. "Darüber rede ich nicht so gern", gibt der junge Tänzer vom Emder Square-Dance-Club zu. Seine Großeltern verbringen die Nächte in Norderstedt im Wohnmobil. Henry macht es sich nachts mit Papa Ingo im Familienkombi bequem.

"Circle left!", ruft Walt den Tänzern zu. Gerade haben sie "Country Roads" von John Denver absolviert. Jetzt kiekst Michael Jackson aus den Lautsprechern. "Ein Sport für jedermann", sagt Organisator Torsten Uekermann. Er warnt davor, die körperlichen Herausforderungen zu belächeln. An einem durchtanzten Tag kommen einige Kilometer zusammen. Auf Abba folgt jetzt Lady Gaga.