Seit Jahren wird darüber geredet, doch eine S-Bahn-Verbindung von Hamburg nach Kaltenkirchen soll es vorerst nicht geben.

Kreis Segeberg. Er sei begeistert, verkündete der Chef der Hamburger S-Bahn, Kay Uwe Arnecke. Eine Delegation von Spitzenbeamten aus dem Kieler Verkehrsministerium hatte sich auf den Weg zu den Kollegen ins Berliner Verkehrsministerium gemacht und war mit einer frohen Botschaft zurückgekehrt. Der Bund hat zugesagt, mit ansehnlichen Zuschüssen den Bau einer S-Bahn zu unterstützen - einer S-Bahn nach Bad Oldesloe, nicht nach Kaltenkirchen. "Das stand nicht auf der Tagesordnung", sagte ein Sprecher des Kieler Verkehrsministeriums und fügte hinzu: "In Sachen Kaltenkirchen gibt es keine Neuigkeiten."

Dieser Satz wäre kaum eine Nachricht wert, wenn der Planungsstillstand für eine moderne Verkehrsverbindung auf der AKN-Trasse von Hamburg über Quickborn und Henstedt-Ulzburg nach Kaltenkirchen nicht schon Jahre dauern würde. Zum Verdruss vieler Pendler müssen die Bahnfahrer jetzt damit rechnen, auch noch im nächsten Jahrzehnt mit Zügen aus den 70er-Jahren unterwegs zu sein. Die Triebwagen, in denen jährlich 12,3 Millionen Menschen unterwegs sind, haben keine Klimaanlagen, keine barrierefreien Zugänge, sind laut und ziehen dunkle Rußwolken aus den Dieselmaschinen hinter sich her. Nur wenige Städte muten den Anwohnern ihres Umlands zu, mit Zügen zur Arbeit zu fahren, für die sich vermutlich bald die ersten Eisenbahnnostalgie-Clubs interessieren werden.

Der Kreis Segeberg ist mittlerweile der einzige im Hamburger Umland, der seit Jahren und wohl auch in Zukunft ohne eine moderne Schnellbahnverbindung auskommen muss. Die Umwandlung der AKN-Verbindung in eine S-Bahn-Linie stehe nicht im "vordringlichen Bedarf" des Bundesverkehrswegeplans, heißt es aus dem Verkehrsministerium.

An Befürwortern für eine elektrische S-Bahn mangelt es nicht, aber vielen fehlt es offenbar an politischem Gewicht. Sie kommen aus der Kommunalpolitik, werden, wie kürzlich im Hamburger Rathaus geschehen, freundlich angehört, und das war's dann. Landes-Verkehrsminister Jost de Jager (CDU) war vor einem Jahr das erste Mitglied der Landesregierung, das sich für die S-Bahn gen Norden ausgesprochen hat. Er gab der Norderstedter Zeitung ein Interview - das war's. Landrätin Jutta Hartwieg, die im Aufsichtsrat des Eisenbahnunternehmens sitzt, reagierte gar nicht erst auf eine Anfrage der NZ.

Auch AKN-Betriebsratschef Thomas Bartossek glaubt, dass der politische Druck fehlt: "Vor Ort kennen die Leute die Probleme, aber nicht diejenigen auf der Entscheiderebene", sagt er. Jeder Bürgermeister unterstütze die Pläne für eine Elektrifizierung und die S-Bahn. "Aber ihnen fehlt das Gewicht, um das durchzusetzen", sagt Bartossek.

Von den ohnehin schweigsamen Landespolitikern aus dem Kreis Segeberg ist nichts zu hören. Offenbar hat sich auch nach Jahren noch nicht herumgesprochen, dass der AKN-Ausbau neben den Autobahnprojekten das mit Abstand größte Infrastrukturprojekt des Kreises wäre. Fachleute schätzen, dass eine S-Bahn auf der Strecke täglich 10 000 zusätzliche Fahrgäste anlocken würde. Der Investitionsbedarf liegt bei rund 100 Millionen Euro. Davon entfällt rund die Hälfte auf die Fahrzeugbeschaffung, die ohnehin in den kommenden Jahren ansteht, weil die Dieseltriebwagen der AKN in wenigen Jahren ihre maximale Laufleistung erreicht haben werden.

2017 müssen die ersten Dieselzüge der AKN ausgemustert werden

Noch-AKN-Vorstand Klaus Franke hatte bereits im September 2009 gemahnt, dass im Jahr 2010 Entscheidungen über die Zukunft getroffen werden müssten. Nur dann sei sichergestellt, dass die AKN bis 2017 mit neuen Zügen ausgestattet wird. 2017 wird nach Frankes Ansicht das Jahr sein, in dem die ersten der alten Dieselzüge ausgemustert werden müssen. Frankes Mahnung verhallte allerdings nahezu ungehört. Bislang haben die Anteilseigner der AKN, die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein, dem Unternehmen lediglich erlaubt, hausintern die Zukunft der Strecke zu planen. 200 000 Euro stehen für ein Gutachten zur "Vorentwurfsplanung" zur Verfügung.

Doch woran liegt es, dass der Kreis Segeberg abgesehen von der U-Bahn nach Norderstedt weitgehend vom allseits gelobten Nahverkehrsnetz in der Metropolregion Hamburg abgehängt wird? Warum stammen die Züge auf den AKN-Gleisen noch aus der Zeit, als der Bundeskanzler Helmut Schmidt hieß, während andere Orte von einem öffentlichen Nahverkehr profitieren, der rund um eine moderne Großstadt längst zum Standard gehört?

"Die Anteilseigner sprechen nicht mit einer Sprache", sagt ein Insider. Zwar gehört den Bundesländern Hamburg und Schleswig-Holstein die AKN zu gleichen Teilen, aber sie verfolgen unterschiedliche Interessen. Wie kompliziert und langwierig Absprachen zwischen dem Kieler Verkehrsministerium und der Hamburger Stadtentwicklungsbehörde ablaufen, zeigte sich jüngst, als die Nachfolgeregelung für Klaus Franke auf der Tagesordnung stand, der in diesem Jahr in den Ruhestand geht. Monatelang konnten sich die Verhandlungspartner nicht einigen. Anfang dieses Jahres fiel die Entscheidung, die Stelle auszuschreiben - allerdings so spät, dass Frankes Vertrag noch einmal verlängert werden muss, bis ein Nachfolger gefunden ist.

Die CDU-geführten Landesregierungen in Hamburg setzten bisher stets auf eigene Projekte: die S-Bahn zum Flughafen, die U-Bahn zur Hafencity oder die Stadtbahn, deren Zukunft allerdings ungewiss ist. Ob sich nach dem Machtwechsel im Hamburger Rathaus demnächst wieder jemand an die AKN erinnert, bliebt abzuwarten. Immerhin heißt es im Wahlprogramm des neuen Bürgermeisters Olaf Scholz: "Wir werden im Rahmen der langfristigen Finanzplanung bis 2019 die Investitionsmittel für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs festlegen. Auf dieser Basis werden wir in einem offenen Diskussionsprozess mit Bürgerinnen und Bürgern, Bahn und Hochbahn die langfristigen Investitionsschwerpunkte und -möglichkeiten (z. B. auch hinsichtlich S4, U4, S-Bahn Richtung Kaltenkirchen und anderer Strecken für schienengebundene Systeme) bestimmen."