Der Angeklagte, sein Opfer und die Zeugen erinnern sich nicht mehr so recht an den Streit

Norderstedt. Brutal soll der Kaltenkirchener Rene G., 22, beim Norderstedter Stadtfest auf den Kopf des Jan B., 18, eingeschlagen haben. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft soll er mit einem Schlüsselbund "bewaffnet" gewesen sein, "um dem Opfer besonders schwere Verletzungen zuzufügen", wie es in der Anklage wegen schwerer Körperverletzung heißt.

Vor dem Amtsgericht in Norderstedt stellt sich schnell heraus, dass der Angeklagte Rene G. sich nach einem Streit mit Jan B. prügelte, den Schlüsselbund aber nach dem ersten Schlag aus der Hand legte. Was bleibt, ist eine einfache Körperverletzung, deren Ursache und Folgen nicht einfach aufzuklären sind: Der Angeklagte und sein Opfer waren beide erheblich angetrunken, trugen beide Schwellungen am Kopf davon und fanden sich nach einem Polizeieinsatz in Handschellen am Boden liegend und anschließend in einer Ausnüchterungszelle wieder.

Auch für das "Opfer" Jan B. zog die Sache ein Strafverfahren nach sich, denn er war auf der Fahrt zum Polizeirevier den Polizisten gegenüber ausfallend geworden.

Richter Reinhard Leendertz hat sieben Zeugen zum Termin geladen, die übereinstimmend als Grund des Streits angeben, Jan B. habe seine Ex-Freundin Laura W., 16, beleidigt und angerempelt. Den Angeklagten, ihren jetzigen Freund, hätten andere zu Hilfe geholt, woraufhin der Streit eskalierte. Jan B. kann sich nur noch an eine Diskussion mit seiner Ex-Freundin und an "Stress" mit dem Angeklagten erinnern, dann sei er schon "auf Zelle" gewesen, wie er sagt.

Die Verletzungen seien nicht schlimm gewesen, wenn er den Angeklagten jetzt treffe, ignoriere er ihn, so Jan B., der wenig Interesse an einer Bestrafung des Angeklagten zu haben scheint.

Während der Richter eine Einstellung des Verfahrens erwägt - denn nach seiner Ansicht handelte es sich bei der Prügelei um "Nothilfe", da der Angeklagte seiner Freundin helfen wollte -, besteht der Staatsanwalt auf der Vernehmung weiterer Zeugen, was allerdings wenig zur Aufklärung des Geschehens beiträgt. Denn auch Zeugen, die nach der Auseinandersetzung bei der Polizei klare Angaben gemacht hatten, erinnern sich nun angeblich wegen des langen Zeitablaufs und ihrer Alkoholisierung nicht mehr an Einzelheiten.

Das Verfahren gegen den wegen einer Trunkenheitsfahrt vorbestraften angeklagten Lageristen, der immer noch den verursachten Unfallschaden von 5000 Euro abstottert, wird schließlich doch eingestellt.