Am Norderstedter Lise-Meitner-Gymnasium können die Schüler künftig wieder nach neun Jahren Abitur machen

Kreis Segeberg. Das Lise-Meitner-Gymnasium schert aus dem bisherigen Gleichklang der vier Norderstedter Gymnasien aus. Ab dem neuen Schuljahr werden die Kinder an der Schule im Schulzentrum Süd wieder nach neun Jahren Abitur machen. Das neue Schulgesetz stellt den Gymnasien frei, ob sie am Turbo-Abi nach acht Jahren festhalten oder den Schülern ein Jahr mehr Zeit bis zum Abschluss geben wollen.

Die drei anderen Norderstedter Gymnasien halten an der achtjährigen Schulzeit fest. Und auch im gesamten Kreis Segeberg nimmt das Lise-Meitner-Gymnasium eine Sonderstellung ein. Die Gymnasien in Henstedt-Ulzburg, Kaltenkirchen, Bad Bramstedt und Bad Segeberg bleiben bei G8. Allerdings müssen Verwaltung und Politik in den meisten Städten und Gemeinden den Beschlüssen von Schulleitern und Schulkonferenzen noch zustimmen, was aber reine Formsache sein dürfte.

"Wir haben sehr lange und intensiv über das Thema diskutiert und uns schließlich aus pädagogischen Gründen für G9 entschieden, Die Schüler brauchen einfach mehr Zeit, um den Lernstoff aufzunehmen und zu reflektieren", sagt Ursula Hohenstein, Leiterin des Lise-Meitner-Gymnasiums. Die längere Lernzeit biete beispielsweise Vorteile beim Erlernen der zweiten Fremdsprache. "Wenn der Einstieg in Klasse sieben erfolgt, haben die Kinder schon zwei Jahre Englisch und ein Jahr länger Deutsch hinter sich. Die grammatischen Kenntnisse sind besser verankert und erleichtern den Start in die neue Fremdsprache", sagt die Direktorin. Die Fähigkeit zur Abstraktion steige mit dem Alter, auch das spreche für G9. Und es bleibe mehr Zeit für musische und künstlerische Aktivitäten, was dem ganzheitlichen Bildungs- und Erziehungsansatz der Schule entspreche.

Ein wesentliches Argument für die Abkehr vom Turbo-Abi sei aber schulspezifisch: die langen Schulwege. Rund 40 Prozent der gut 600 Schüler fahren täglich aus dem Umland zur Schule im Norderstether Osten. Und der Weg aus Nahe, Kayhude, Itzstedt oder Wakendorf II kostet Zeit. Und davon hätten die Kinder bei G8 ohnehin schon wenig. Die längere Schulzeit trage dazu bei, Schulstress abzubauen und gerade den jüngeren Schülern das Kindsein zu erlauben. "Mit der Entscheidung für G9 sind wir auch dem Wunsch vieler Eltern gefolgt", sagt Ursula Hohenstein, die den Beschluss als "mutige Entscheidung zur Entschleunigung in einer immer schnelllebigeren Zeit" sieht.

Das Lise-Meitner-Gymnasium stehe mit der Rückkehr zur früheren Gymnasialzeit nicht im Wettbewerb zur Willy-Brandt-Schule. Die Norderstedter Gemeinschaftsschule am Lütjenmoor bietet ebenfalls den Weg zum Abitur nach neun Jahren an. "Im Unterschied zur Gemeinschaftsschule haben wir einen ausschließlich gymnasialen Anspruch", sagt die Schulleiterin, die keine großen Umstellungsprobleme sieht. Zusätzliche Um- oder Neubaukosten kämen nicht auf die Stadt als Schulträger zu. "Die baulichen Veränderungen, die nötig sind, haben mit G8 oder G9 nichts zu tun", sagt die Pädagogin.

"Die Schulkonferenz hat sich für Kontinuität und das Abitur nach acht Jahren entschieden", sagt Annette Leopold, Leiterin des Lessing-Gymnasiums. Es sei bisher nicht festzustellen, dass die kürzere Schulzeit einen "einen riesengroßen Druck auf die Kinder" ausgeübt hat. G8 bedeute nicht das Ende der Kindheit. Die Schüler der fünften und sechsten Klassen würden so wenig wie möglich belastet, sie hätten nur einmal in der Woche nach der Mittagspause Unterricht. "Und auch dann sind sie schon um kurz vor 15 Uhr zu Hause", sagt die Direktorin - eine Sicht, die die meisten Kollegen teilen.

"Die Stadt hat uns gerade einen teuren Erweiterungsbau hingestellt, und auch aus pädagogischen Gründen sehen wir keine Notwendigkeit, von G8 zu G9 zu wechseln", sagt Reinhard Redemund, Leiter des Gymnasiums Kaltenkirchen. Die um ein Jahr verkürzte Gymnasialzeit, die seit zweieinhalb Jahren gilt, habe sich bewährt.

"Von Seiten der Verwaltung werden wir die Wünsche der Schulen akzeptieren", sagt Norderstedts Schuldezernentin Anette Reinders. Die Kommunalpolitiker werden sich am Donnerstag, 24. Februar, im Schulausschuss in einer Sondersitzung mit dem Thema beschäftigen. Der Termin musste kurzfristig angesetzt werden, um die Meldefristen einhalten zu können, die das Kieler Bildungsministerium vorgegeben hat. Bis spätestens Ende März muss die Nachricht im Ministerium an der Förde sein. Und da die Stadtvertreter die Zukunft der Norderstedter Gymnasien am 1. März beschließen müssen, musste der Ausschusstermin kurzfristig angesetzt werden.