Eine Glosse von Andreas Burgmayer

Beim Spazierengehen: Ich spüre fast seinen Atem im Nacken. Habe die Befürchtung, dass er mir gleich auf die Hacken tritt. Ich verlangsame den Schritt. Leide ich an Paranoia? Er hält das Schritttempo. Ich bleibe stehen. Umarmt er mich jetzt, ein alter Freund vielleicht? Nein. Er geht wortlos weiter, macht einen Schlenker um mich und verschwindet.

An der Supermarktkasse: Die Dame kann es kaum erwarten, bis ich die letzte Milchtüte aufs Band lege. Mit Porree in der Hand klebt sie mir im Rücken, unwirsch der Blick. Sie will ran ans Kassen-Band. Ich komme in den Genuss ihres aufdringlichen, zu reichhaltig aufgetragenen Parfums. Ein Trost. Es hätte mich auch ein Schwall Mundgeruch streifen können.

An der Kinokasse: Der Mann rückt Zentimeter für Zentimeter nach, keine Handbreit hinter mir. Zwar kommt er so nicht schneller an die Eintrittskarte. Aber es scheint ihm das Gefühl zu geben, vorwärts zu kommen. In mir reift der Ekel, als er sich ereignisreich in die Hand niest und danach sein Sweatshirt zum Taschentuch macht.

Kurze Nachhilfe für alle mit gestörtem sozialen Wahrnehmungsvermögen von Körpersprache-Coach Sammy Molcho: "Der Mensch hat einen eigenen Schutzraum, eine individuelle Hoheitszone, die ihn umgibt. Jede Annährung eines anderen Menschen empfinden wir als ein Eindringen in einen persönlichen Bereich. Der Abstand von 30 bis 40 Zentimetern ist ein Minimum, wenn man sich in einer Menschenmenge aufhält."