Amtsgericht verurteilt Norderstedter, der nicht zahlen wollte, zu einer Bewährungsstrafe. Das Opfer musste seinen Job als Taxifahrer aufgeben

Norderstedt. Gegen 7 Uhr morgens wurde der Taxifahrer Ingo D., 56, Mitte Februar vergangenen Jahres zu einer Bar in der Schützenstraße in Kaltenkirchen bestellt: Saner K., 27, wollte nach Hause nach Norderstedt gefahren werden. Auf der Fahrt unterhielten sich die beiden Männer freundschaftlich, Saner K. erzählte von Problemen mit seiner Freundin, die ihn mit einem anderen Mann betrogen habe, und er gestand auch, nicht genug Geld für die Taxifahrt bei sich zu haben.

In Norderstedt vor dem Mehrfamilienhaus, in dem er wohnte, angekommen, wollte Saner K. die für die Fahrt geschuldeten 28 Euro aus seiner Wohnung holen. Taxifahrer Ingo D. hatte schon öfter erlebt, dass Fahrgäste ohne zu bezahlen verschwanden und begleitete deshalb seinen Kunden bis zu dessen Wohnungstür im fünften Stockwerk.

Saner K. gab dem Taxifahrer erst einen Fünf-Euro-Schein mit der Bitte ihn zu wechseln, was wohl ein Scherz sein sollte. Kurz danach erschien der junge Mann dann allerdings mit einem großen Küchenmesser mit einer 20 Zentimeter langen Klinge in der Hand, fuchtelte damit drohend vor dem Gesicht des entsetzten Ingo D. herum und schrie den Mann an: "Verpiss dich, sonst regeln wir das anders!" Ingo D. rannte panisch die Treppen hinunter und wurde von Saner K. noch über zwei Stockwerke verfolgt, dann konnte er sich in sein Taxi retten.

Wegen schwerer räuberischer Erpressung musste sich Saner K. nun vor dem Schöffengericht in Norderstedt verantworten: Der schmächtige Mann sitzt wie ein Häufchen Elend auf der Anklagebank und behauptet, sich an den Vorfall nicht erinnern zu können, er sei "weggetreten" gewesen.

Richter Reinhard Leendertz fragt den Angeklagten, ob er öfter solche Zustände hätte, und ob er selbst dazu etwas beigetragen habe. Saner K. erzählt, dass er sich kurz vor dem besagten Abend nach sechs Jahren Beziehung von seiner Freundin, mit der er ein Kind habe, getrennt hatte. Er sei noch ziemlich fertig gewesen und habe mit Freunden richtig feiern wollen: Los ging es gegen 23 Uhr mit einem Joint, dann folgten in der Diskothek "Joy" reichlich Bier und Schnaps.

Zwischendurch sei er eingeschlafen, und er wisse nicht, wie er in die Bar in der Schützenstraße gekommen sei, beteuert der Angeklagte vor dem Amtsgericht. Seine Jacke samt Portemonnaie und Brille seien verschwunden gewesen, so der 27-Jährige weiter, der versichert, seit jenem Abend keinen Alkohol mehr zu trinken.

Dass er jemanden bedroht haben soll, kann sich der Angeklagte angeblich nicht vorstellen. Er klingt wie ein Kind, als er sagt: "Ich bin ein guter Junge, habe meine Ausbildung gemacht, war bei der Bundeswehr." Zurzeit arbeitet Saner K. als Industriemechaniker, mit dem Gesetz ist er bisher noch nicht in Konflikt geraten.

Ingo D. aus Kaltenkirchen hat nach dem Messerangriff seinen Job als Taxifahrer aufgegeben. Jedes Mal, wenn ein Fahrgast einstieg, vor allem, wenn er kein Geld hatte, habe er Angst gehabt, berichtet D. in seiner Zeugenvernehmung. Zum Zustand des Angeklagten erklärt der mit Betrunkenen erfahrene Mann, Saner K. sei zwar angetrunken gewesen, er habe sich aber normal mit ihm unterhalten können.

Einige Tage nach der Messerattacke rief der Angeklagte mehrmals bei Ingo D. zu Hause an und sprach ihm entschuldigende Worte auf den Anrufbeantworter. D. hatte nach seinen Worten jedoch keine Lust, seinen Angreifer zurückzurufen. Vier Tage nach dem Vorfall überwies der Angeklagte außerdem 30 Euro an das Taxiunternehmen. Ein Kollege von Ingo D., der an besagtem Morgen in der Taxizentrale saß, berichtet, dass er sich Sorgen um D., den er in seinem Fahrzeug nicht erreichte, gemacht habe. Schließlich sei D. an sein Handy gegangen und habe erst von Problemen mit einem zahlungsunwilligen Fahrgast gesprochen und dann laut um Hilfe gerufen, erzählt Hartmut V., 61, der sofort die Polizei alarmierte.

In seinem Schlusswort weint der Angeklagte und entschuldigt sich nochmals für sein, für ihn selbst unerklärliches Verhalten.

Auch Richter Leendertz findet die Tat "überraschend", wenn man sich das bisher geordnet verlaufene Leben des Angeklagten ansehe. Der urplötzliche Stimmungsumschwung des Angeklagten von vorherigem freundlichen Geplauder zu dem aggressiven Messerangriff sei durch die Mischung aus Drogen und Alkohol zu erklären, meint der Richter, der den Angeklagten dennoch für schuldfähig hält.

Ein Jahr und drei Monate Freiheitsstrafe mit Bewährung und der Auflage, an sein Opfer Ingo D. 300 Euro zu zahlen, lautet das Urteil, das der Angeklagte unter Verzicht auf Rechtsmittel annimmt.