Eine Glosse von Bernd-Olaf Struppek

Seien wir realistisch: So was kommt in den besten Familien vor. Natürlich, da ist dieser Trennungsschmerz tief in einem drin. Aber wer ehrlich auf seine innere Stimme hört, der wird feststellen, dass es vor allem der Gewöhnungseffekt ist, der uns zuletzt noch zusammengehalten hat.

Welch strahlenden Auftritt hatte er zu Beginn unserer gemeinsamen Zeit gehabt! Schnell aber ließ er sich hängen, entpuppte sich als spröder Typ. Dabei hatte ich kräftig in ihn investiert. Ihn aufgebaut und mit allerlei Schmuck behängt. Er dankte es mir, indem er uns einen glänzenden Abend bescherte, das muss ich zugeben. Er spielte seine Rolle gut, ließ mich Lob für meinen guten Geschmack einheimsen. Ein groß gewachsener Skandinavier von kräftigem Wuchs - Frauen wie Männer fühlten sich von ihm angezogen.

Dann aber stellte sich heraus: wieder nur ein Beau, ein Blender, kein Gefährte fürs Leben. Erst entdeckte ich erste kleine Macken an ihm. Sei nicht so, mahnte meine Familie zu Anfang. Inzwischen jedoch haben auch die Meinen erkannt, dass er weg muss. Er macht seinen Job noch zu Ende, dann ist Schluss.

Das ist halt das Schicksal von Saisonkräften, sage ich mir. Doch weiß ich, dass der letzte Gang mir Pein bereiten wird. Wenn ich ihn an die Straße begleite, wo er und seinesgleichen sich sammeln, um ihre letzte Reise anzutreten.

Tannenbaum ade, scheiden tut weh.