“Ich bin froh, dass die ärztliche Versorgung in Seth und den umliegenden Dörfern wieder gesichert ist“, sagt Dr. Frank Winter.

Seth. 28 Jahre lang hatte sich der 67 Jahre alte Landarzt aus Seth um das Wohl und Weh der Menschen gekümmert, ehe er vor vier Jahren aus gesundheitlichen Gründe in Pension ging. Sein Nachfolger Jörg Liebsch hielt es nicht so lange aus. Mitte Oktober teilte er dem Gemeinderat in Seth mit, dass er am 1. November gehen werde.

Unerwartet schnell bahnt sich nun eine Lösung des Problems an. Wenn ihnen die Kassenärztliche Vereinigung (KV) in Bad Segeberg nicht noch in letzter Minute einen Strich durch die Rechnung macht, kümmern sich künftig vier Mediziner der Praxisgemeinschaft Leezen in der Sether "Zweigstelle" an der Hauptstraße 85a abwechselnd um die kranken Menschen. Eigentümer des Gebäudes ist Dr. Winter. Die neuen Ärzte wollen noch eine Menge Geld in die Praxis investieren.

Dr. Klaus Fleischhack, Dr. Tina Teichmann, Dr. Michael Pfeifer und Marina Kardorf-Metsis hatten sich um die Übernahme der Sether Praxis beworben und von der KV eine, wie es heißt, "vorübergehende" Genehmigung erhalten. Die endgültige Entscheidung soll noch vor dem Jahreswechsel fallen. "Ich bin mir jedoch sicher, dass es sich nur um eine Formsache handelt", glaubt Frank Winter.

Die etwa 5000 Bewohner von Seth und den umliegenden Dörfern Borstel, Oering, Sievershütten, Stuvenborn, Groß Niendorf und Todesfelde sind froh, dass sie nun wieder in ihrer Nähe ärztlich betreut werden. Viele ältere Menschen können sich noch an die 70er-Jahren erinnern, als die Gemeinde acht Jahre ganz ohne ärztliche Versorgung war.

Mehrfach schon hatten sie ihrem Ärger Luft verschafft. Zum Beispiel Karl-Heinz Schulz aus Stuvenborn. "Hallo, Dr. Liebsch", schrieb er im Dezember in einem Internetforum. "Enttäuschend war für mich, dass Sie sang- und klanglos diese Patientengemeinde verlassen haben." Ohne eine nähere Angabe von Gründen war Liebsch gegangen. "Für mich kam diese Entscheidung auch völlig überraschend", sagt Dr. Winter.

Der ehemalige Missionsarzt - als junger Mediziner war er in Kenia tätig - hatte in den vergangenen Wochen großen Einsatz gezeigt: "Ich habe die Kassenärztliche Vereinigung auf unser Problem schriftlich aufmerksam gemacht. Wenn das nichts genutzt hätte, dann wäre ich mit den alten Menschen von Seth und Umgebung mit Schildern vor dem KV-Gebäude in Bad Segeberg aufmarschiert und hätte demonstriert. Ich bin heilfroh, dass es nicht soweit gekommen ist."

Hat der Beruf des Landarztes überhaupt noch eine Zukunft? "Ich glaube das nicht", sagt Frank Winter. "Die politische Tendenz in Deutschland geht dahin, die ärztliche Versorgung nur noch mit Hilfe von ambulanten Zentren sicherzustellen. So war es in der DDR, und so ist es heute in England noch die Regel. Dann haben es die Patienten jedes Mal mit einem anderen Doktor zu tun, sie sind nur noch eine Nummer. Darüber klagen sie und sagen: Wenn wir krank sind, möchten wir am liebsten das ganze Leben lang den Arzt unseres Vertrauens aufsuchen."

Dieses Problem kennt auch Marina Kardorf-Metsis. "Die KV Segeberg hat für den Kreis Segeberg eine ärztliche Überversorgung von 111 Prozent errechnet", sagt die 52-jährige Fachärztin, die in Karelien zur Welt kam und lange Zeit in Estland lebte, bevor sie vor zehn Jahren nach Deutschland kam. "Es gibt aber immer weniger Ärzte auf dem Land. Junge Mediziner wollen, wenn sie mit dem Studium fertig sind, nicht mehr aus der Stadt heraus. Dort gibt es mehr kulturelle Abwechslung. Landarzt zu werden, ist für die meisten uninteressant. Auch existenziell lohnt es sich nicht. Wer weiß denn schon, ob er die Verträge mit der Bank eines Tages noch erfüllen kann, wenn immer weniger Geld in der Kasse bleibt?"

Marina Kardorf-Metsis' Ehemann Claus-Dieter Kardorf hatte sich 1973 in Leezen als Allgemeinmediziner niedergelassen und eine gutgehende Praxis aufgebaut. Heute umfasst die Kartei der Gemeinschaftspraxis etwa 3000 Namen. Der 71-Jährige, der in Leezen und in Seth als Vertretung tätig ist, spricht ein aus seiner Sicht gravierendes Problem an, das das Landleben der Mediziner erschwert: "Ständig gibt es eine neue Gesundheitsreform, und jedes Mal nimmt die Bürokratie größere Formen an."

Dennoch freut sich die Leezener Ärztegemeinschaft auf ihre neue Aufgabe. Dreimal war Marina Kardorf-Metsis schon in der Sether Praxis. "Die Sprechstunden waren gut besucht", sagt sie. "Wir spürten sogleich die Dankbarkeit und Zufriedenheit der Menschen." Eine Frau, die sie noch gar nicht kannte, sagte: "Wir sind so froh, dass Sie jetzt hier sind und uns betreuen werden."

Dieses Lob hat dazu geführt, dass Marina Kardorf-Metsis und Claus-Dieter Kardorf übereinstimmend sagen: "Wir haben einen wunderschönen Beruf, und wir würden, stünden wir noch einmal vor der Wahl, wieder Landarzt werden."