Landrätin Jutta Hartwieg übernimmt Schirmherrschaft für neues Projekt “young carers deutschland“

Bad Segeberg/Bad Bramstedt. Stines Mathelehrer hat gerade eine Frage gestellt. Doch die hat die 15-Jährige gar nicht gehört. Stine hat ganz andere Sorgen. Gleich nach der Schule muss sie für die Familie Essen einkaufen, kochen, ihren zwei jüngeren Brüdern bei den Hausaufgaben helfen und die Mutter pflegen. Die hat Krebs und benötigt die Unterstützung ihrer Tochter. Zeit für sich selbst hat die Jugendliche schon lange nicht mehr.

Stine gehört zu den etwa 225 000 Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 18 Jahren in Deutschland, die ihre kranken Eltern pflegen, wenn diese chronisch, psychisch oder suchtkrank sind oder weil sie an körperlichen oder geistigen Behinderungen leiden.

"Young carers" - frei übersetzt "junge Pfleger" - werden sie in England genannt. Dort gibt es kostenlose Hilfsangebote für diese jungen Menschen.

Auch im Großraum Bad Bramstedt soll so ein Angebot nun entstehen. Der örtliche Rotary Club hat das Projekt "young carers deutschland" ins Leben gerufen. "Ich habe einen Vortrag über pflegende Kinder gehört und die Idee für ein Projekt gehabt", sagt Initiator Dr. Torsten Rau. Diese habe er einigen Rotarier-Kollegen vorgestellt, sie seien sofort begeistert gewesen. "Young carers werden in Deutschland nicht erfasst, aber krass ausgedrückt ist das Kinderarbeit." Sie seien überfordert, was sich in Schlafstörungen, Stress und Konzentrationsmangel äußere. Hinzu komme häufig die psychosoziale Isolation. Sie könnten nicht mehr Kind oder Jugendlicher sein, seien oft traumatisiert. "Die Krankheit der Eltern wird zur Familienkrankheit, es ist ein Teufelskreis", sagt Gesundheitswissenschaftlerin Nora Großmann, die ein speziell auf die Kinder ausgerichtetes Gruppenangebot leiten wird. Je nach Bedarf soll es, gestaffelt nach Alter, im kommenden Frühjahr beginnen. Spielen, toben, einfach Kind sein gehören ebenso dazu wie Gespräche. "Wichtig ist, dass die Betroffenen sehen, dass sie nicht allein sind und sich mit Gleichgesinnten austauschen können, das hilft schon", betont Nora Großmann. Sie beantwortet unter Telefon 0173/469 21 28 Fragen zu dem Projekt.

Um die Zielgruppe überhaupt zu erreichen, werden derzeit Gespräche mit Schulen geführt und Lehrer geschult, damit diese auf die jungen Pfleger aufmerksam werden. Weiterhin will man mit Jugendamt, Ärzten und Pflegeeinrichtungen kooperieren. Spenden wurden bereits gesammelt, Sponsoren gefunden, und als Schirmherrin wurde Landrätin Jutta Hartwieg gewonnen. Auf zwei Jahre ist das Projekt befristet. Mit bis zu 85 000 Euro Kosten rechnet der Rotary Club, etwa zwei Drittel davon sind bereits finanziert. Der Club hofft, danach eine Stiftung oder Organisation zu finden, die das Projekt weiterführt. Das Spendenkonto: young carers deutschland, VR-Bank Pinneberg, Konto 540 327 80 (BLZ: 221 914 05).