Dörte Fengler ist in Norderstedt als Sterbeamme tätig. Sie hilft auch bei Lebenskrisen

Darüber reden mag niemand gerne. Schon gar nicht in der Weihnachtszeit. Aber Dörte Fengler weiß, wie sehr manche Menschen gerade in diesen Tagen über den Tod nachdenken. Vor allem, wenn sie in den vergangenen Monaten einen lieben Menschen verloren haben. Die 53 Jahre alte Norderstedterin hilft, wenn jemand mit dem Verlust nicht zurechtkommt, wenn sie den Tod nicht akzeptieren können, wenn jemand sich im Labyrinth der Trauer verloren hat. Sie ist Sterbeamme und kümmert sich mit viel Herzenswärme um Todkranke und ihre Angehörigen.

Das Büro im ersten Stock der Doppelhaushälfte am Kastanienweg in Norderstedt ist mit Wärme eingerichtet und strahlt Geborgenheit aus. Hier empfängt Dörte Fengler ihre Besucher - von Klienten zu sprechen, wäre kaum angemessen. Auf der Couch sitzt eine Frau, die ihren Frieden gefunden hat und Ruhe ausstrahlt. "Die Trauernden sind oft so blockiert, dass sie nicht mehr klar denken können", sagt sie. "Wer geblieben ist, verliert oft den Boden unter den Füßen." Das weiß Dörte Fengler nicht nur aus vielen Gesprächen. Deshalb hört sie ganz genau zu, gibt Antworten, nimmt in den Arm, hält die Hand, spendet Trost.

Es gibt noch nicht viele Sterbeammen in Deutschland. Ein Lehrberuf ist es sowieso nicht, aber eine Ausbildung ist notwendig, um andere Menschen in ihrer Trauer zu begleiten. Dörte Fengler, Mutter von zwei erwachsenen Kindern, hatte keine unmittelbaren Erfahrungen mit dem Tod anderer, als sie sich 2005 entschloss, diesen Beruf zu ergreifen. Aber die frühere Zahntechnikerin wusste zu diesem Zeitpunkt, was es heißt, ständig negative Gedanken zu haben: Mobbing im Beruf, Depressionen - all das führte zu einem Wendepunkt in ihrem Leben. Zunächst half sie in der Organisation "wellcome" jungen Familien, später machte sie, inspiriert durch ein Gespräch mit Freundinnen, bei einem Workshop über Tod, Trauern, Sterben, Angst mit und stellte schnell fest, dass sie von diesen Themen nicht mehr loskam. Claudia Cardinal ist ihre Lehrmeisterin. Die Heilpraktikerin aus Bergedorf war die erste, die diesen Beruf in Deutschland bekannt machte, weil sie Trauernde aus ihrer Isolation befreien wollte. Seit 2007 ist die Norderstedterin als Sterbeamme selbstständig.

Die Beschäftigung mit diesem Thema brachte Dörte Fengler zu der Erkenntnis, dass fast jeder blockiert ist, wenn es um Trauerbewältigung geht, um Verlust, um jähe Veränderungen im Lebensrhythmus. Dazu gehören auch Todgeburten oder Schwangerschaftsabbrüche: "Viele Frauen leiden, können aber mit niemandem in ihrer Umgebung darüber reden."

Sterbenden die Hand reichen, sinnvolle Gespräche führen oder einfach nur zuhören und anwesend sein. So sieht die Norderstedterin ihre Aufgabe bei der Sterbebegleitung. Den Tod kann sie nicht verhindern, sie weiß auch nicht, wie es nach dem Tod aussieht, aber sie versucht, Todkranken positives Denken beizubringen. "Wer die Angst verliert, kann weitermachen." Eigene Todeserfahrungen helfen ihr dabei weiter: Sie wäre fast ertrunken und hatte sich in dieser Situation bereits aufgegeben. Nur ein Wunder rettete sie damals. Diese und andere Erfahrungen haben sie in ihrem christlichen Glauben gestärkt. Aber den zwingt sie niemandem auf. Der Glaube spielt in ihrem Gesprächen und ihrer Arbeit nur eine Rolle, wenn es gewünscht wird.

Praktische Erfahrungen mit dem Tod hat Dörte Fengler als Praktikantin in einem Beerdigungsinstitut gemacht. Auch das sind Erlebnisse, die sie nicht missen möchte, die sie auf ihrem eigenen Lebensweg weiter gebracht haben. "Alles, was Menschen Angst macht, gilt es zu überwinden", sagt sie. "Wer die Angst verliert, kann auch in die Zukunft gehen."

Da geht es nicht nur um Todesangst, sondern auch um ganz alltägliche Ängste, die das Leben schwer machen können. Verlust der Arbeit und drohende Arbeitslosigkeit, Prüfungsängste, Scheidungen. Aber auch die Suizidprävention gehört zum Aufgabenbereich. Wer Menschen in der Umgebung kennt oder gar selbst an den eigenen Freitod denkt, kann sich an die Sterbeamme wenden. Dörte Fengler hört genau zu, wenn es für andere nicht weiter geht, wenn der Ausweg so unendlich schwer ist, dass er alleine nicht gefunden werden kann.

Sie weiß, dass es oft schon weiterhilft, wenn Dinge im richtigen Licht gesehen werden. Sie verspricht keine Patentlösung, ist natürlich auch keine Psychiaterin, aber sie weiß aus vielen Erfahrungen, dass klärende Gespräche manchmal Wunder bewirken können. Sie zeigt Mitgefühl. Mitleid ist nicht angebracht. "Viele glauben, Schmerzen oder Ängste nicht ertragen zu können und verschließen sich davor. Damit aber ist das Problem nicht gelöst und man wird immer wieder davon eingeholt."

Die Norderstedterin macht im Gespräch keinen verklärten Eindruck. Sie weiß, wovon sie redet. Und sie weiß, was sie will: Wer sich an sie wendet und um Hilfe bittet, kann auf ihre Hilfe und ihren tröstlichen Zuspruch bauen, aber kostenlos ist der Rat, sind die Gespräche nicht. Damit jeder weiß, worauf er sich einlässt, gibt es eine klare Gebührenregelung, die zum Beispiel auf ihrer Website im Internet zu finden ist ( www.doerte-fengler.de ). Denn ihre Tätigkeit ist nicht ehrenamtlich. Darin unterscheidet sich Dörte Fengler von den Mitarbeitern des Vereins Omega, die ebenfalls in der Sterbebegleitung tätig sind.

Abgehoben ist sie nicht, aber sie hebt gerne ab - und das regelmäßig: Dörte Fengler ist eine herausragende Segelfliegerin. Dieses Hobby teilt sie mit ihrem Mann. Sie war Hamburger Meisterin und nahm an den Deutschen Segelflugmeisterschaften teil. "Dort oben vergisst man einfach alles; alle Gedanken sind beim Fliegen, unter dir ist alles ganz klein - niemand macht Probleme. Es ist ein wundervolles Gefühl", sagte sie einst gegenüber der Norderstedter Zeitung. Dieses Gefühl der Endlichkeit und des Losgelöstseins helfen ihr wahrscheinlich unbewusst, die wirklichen Probleme des Lebens leichter anzugehen.