An der Ochsenzoller Straße 140 zogen Huren ein und sorgen für einen Skandal in einer Garstedter Familie

Norderstedt. Ruth Grasemann, 67, schäumt vor Wut, wenn sie auf ihr Elternhaus an der Ochsenzoller Straße 140 angesprochen wird. "Vier Generationen unserer Familie sind dort aufgewachsen. Ich verbinde meine gesamten Kindheitserinnerungen mit dem Haus. Und jetzt so was", sagt die Garstedterin, deren Familie seit vier Jahrzehnten einen Sanitär- und Heizungsbaubetrieb in Norderstedt führt.

Aus dem Grasemannschen Elternhaus ist über Nacht ein Bordell geworden. Im Fenster zur Straße deutet ein rotes Licht den Freiern an, dass die Damen empfangen. Sie heißen Vicky, Camilla und Stephany, die vierte im Bunde ist die Transsexuelle Donna. "Ich gebe dir, was du brauchst! Mit mir wird es einfach heiß!", säuselt Vicky in einer Selbstdarstellung im Internet. Und Kollegin Camilla verspricht "das beste Natur-Französisch in der Stadt". Ruth Grasemann hatte das Haus verkauft. An einen Verwandten. "Lange stand es leer. Wir haben niemanden gefunden und dann gedacht: So bleibt es wenigstens in der Familie", sagt die 67-Jährige. Doch der Verwandte sucht sich die neuen Mieter nach dem Prinzip des Höchstbietenden und findet sie im Rotlichtmilieu. Ein Schock für die Familie Grasemann. "Die Gardinen, die dort jetzt in allen Fenstern hängen und die bei all dem dabei sind, was diese Damen dort anstellen - diese Gardinen hat meine Mutter noch selbst genäht", sagt Ruth Grasemann. Wie wütend sie auf den Verwandten ist, kann sie gar nicht in Worte fassen.

Auch das horizontale Gewerbe ist in diesem Gebiet zulässig

Auch die direkten Nachbarn des Hauses an der Ochsenzoller Straße sind nicht gerade erfreut über die leichten Damen. Doch rein rechtlich scheint gegen den Betrieb dort nichts einzuwenden zu sein. Die Stadt Norderstedt hat den Sachverhalt geprüft. "Grundsätzlich ist Prostitution zulässig. Die Frage ist dann nur noch, ob dieses Gewerbe planungsrechtlich möglich ist", sagt Norderstedts Erster Stadtrat und Baudezernent Thomas Bosse. In reinen Wohngebieten gehen solche Betriebe nicht, in gemischten Wohngebieten sind sie zulässig. Thomas Bosse gibt ein Beispiel: "Ich hatte mal den Fall einer Puppenwerkstatt, die eine Familie in ihrem Wohnhaus auch für Kindergruppen angeboten hat. Da musste ich als zuständiger Dezernent hingehen und diese schöne Einrichtung verbieten, weil sie dort auch Puppen verkauften, damit gewerblich waren und im reinen Wohngebiet nicht zulässig sind."

Im Gebiet um die Ochsenzoller Straße 140 gebe es keinerlei Hinderungsgründe für die gewerbliche Nutzung. Hier reihen sich Kneipen, Werkstätten, Geschäfte und Wohnhäuser aneinander - vieles ist möglich. Auch ein Bordell.

Die Norderstedter Szene für sexuelle Dienstleistung ist vielfältig

Gleich schräg gegenüber an der Berliner Allee ist das nächste Etablissement des horizontalen Gewerbes. Das Prinzip scheint überall das gleiche zu sein. Mehrere Huren schließen sich zu einer Gemeinschaft in einem Privathaushalt zusammen und bieten ihre Dienste via Internet an. Wer auf den einschlägigen Seiten im Internet über sexuelle Dienstleistungen recherchiert, stößt auf das ausgeprägte Angebot in Norderstedt. An der Feldstraße, Oststraße, der Straße In de Tarpen, an der Niendorfer Straße und an der Ohechaussee liegen die Adressen der Damen, illustre Namen wie "Puppenhaus", Scortillum" oder "Sinneslounge" tragen die Einrichtungen. Die Stadt hat keine Übersicht. Viele Huren melden das Gewerbe nicht an und legen einfach in Absprache mit dem Vermieter los. Die Polizei spricht von wenig Auffälligkeiten. "Vor etwa 25 Jahren ging das mit der unkontrollierten Zunahme dieser Einrichtungen los in der Stadt. Scheinbar wird das Angebot stark nachgefragt", sagt Frank Liedtke, Leiter der Kriminalaußenstelle der Polizei in Norderstedt. Die Szene sei ruhig. Einsatzgründe, wie etwa Zuhälterei, liegen für die Norderstedter Kripo nicht vor. Liedtke: "In Hamburg gibt es da ganz andere Strukturen. Von dort gab es auch mal Versuche, in Norderstedt vorzufühlen. Aber letztlich sind wir hier Provinz geblieben für das Thema."

Für Ruth Grasemann kann all das kein Trost sein. In ihrer Wut würde sie am liebsten eine "Stinkbombe" in ihr ehemaliges Elternhaus werfen, um die Damen dort zu vertreiben. Ruth Grasemann fürchtet, dass die Schmach über die Entfremdung ihres Elternhauses am Ende noch ihr in die Schuhe geschoben wird. Deswegen soll jeder wissen, dass es ein Verwandter war und nicht sie selbst, der das Rotlicht an die Ochsenzoller Straße gebracht hat. Ruth Grasemann: "Ich habe immer gesagt, dass dieses Haus ein Haus der Liebe ist. Aber damit meinte ich meine liebevolle Familie und nicht diesen Puff."