Eine Glosse von Frank Knittermeier

Kurt-Lothar und Charlotte gingen jeden morgen brav in den Kindergarten. Shiva und Justin gehen heute in die Kindertagesstätte: Dieser Sechssilben-Bürokratenausdruck wurde von Erwachsenen geprägt, die mit Kurt-Lothar und Charlotte einst in den Kindergarten gegangen sind. Dahinter stecken wahrscheinlich menschliche Abgründe, zwanghafte Ausbrüche und kunstlederne Behördensessel.

Kinder-Tages-Stätte: Das erinnert an Stätten, in denen alles Mögliche gemacht wird. Formulare ausfüllen zum Beispiel, in denen die letzte Ruhe gefunden wird oder in denen sich Beamte erholen, die zu lange an behördlichen Ausdrucksformen herumgebastelt und dabei schlapp gemacht haben. Dabei gibt es doch keine schönere Wortkombination als Kinder-Garten. Kinder also, die im Garten herumtoben. Ein schöner Gedanke. Das ist besser als Kinder, die in Stätten aufbewahrt werden.

Immerhin ist das Wort, bevor es in Deutschland behördlich abgeschafft wurde, in andere Sprachen übernommen worden. "Kindergarten" oder "Kindergarden" sagen auch die Amerikaner, weil es Deutsche waren, die einst die ersten Einrichtungen gründeten. Und wahrscheinlich auch, weil das Wort so schön klingt.

In Deutschland ist es eher peinlich, dieses Wort zu benutzen. Zu hausbacken, zu unpädagogisch, nicht auf der Höhe der Zeit. Gerne wird im Behördendeutsch auch von der Kita gesprochen. In diesen Einrichtungen wurden die Kinder ganz abgeschafft.