Eine Glosse von Matthias Popien

Wenn die italienische Pizza jetzt tatsächlich Weltkulturerbe wird, ist die deutsche Leberwurst beleidigt. Könnte man vermuten. Ist aber nicht so, denn die Leberwurst liegt zuallererst auf der faulen Pelle: Sie hat gar keinen Antrag gestellt. Im Nachhinein ist das keine Wurstigkeit gewesen, sondern äußerst klug. Die Leberwurst-Bewerbung wäre nämlich absolut chancenlos gewesen.

Der Reihe nach: Die Unesco führt eine Liste immaterieller Kulturgüter. Dafür kann man sich anmelden, wenn man ein solches ist. In Nairobi wird in diesen Tagen entschieden, wer in die Liste aufgenommen wird. 47 Bewerber gibt es. Man kann sich gut vorstellen, wie da jetzt ein total materielles Hauen und Stechen einsetzt. Schon allein die europäischen Konkurrenten sind in ihrem Drohpotenzial nicht zu unterschätzen. Da ist die knochentrockene und extrem harte Ingwerbrot-Kunst aus Kroatien, da ist der brandgefährliche "Tonnekensbrand", das belgische Feuerfest, da ist die mikrowellenheiße Pizza. Zu allem Überfluss hat sich auch noch Frankreich angemeldet: mit seiner kulinarischen Lebensart, mit seinen Baguettes, die nach ein paar Tagen der Aushärtung zur tödlichen Waffe werden. Leberwürste sind da einfach zu weich, um mithalten zu können. Wenn Deutschland wirklich eines seiner immateriellen Kulturgüter zu Unesco-Weihen führen will, kommt nur ein Kandidat in Frage: das Oktoberfest mit seinen immer neuen Rekorden bei der Vernichtung selbst härtester Alkoholica.