Die SPD-Vorsitzende Katrin Fedrowitz will die “unzumutbaren Wechselspiele“ in der Norderstedter Kommunalpolitik beenden

Norderstedt. Die Entrüstung vieler Norderstedter über das ständige Wechselspiel der Stadtvertreter zwischen den Parteien ebbt nicht ab. Nach dem Wechsel von Doris Vorpahl, 53, von der SPD als Parteilose zur CDU-Fraktion und den Wechseln von Naime Basarici (SPD zur CDU), Hans-Joachim Zibell (FDP zur SPD) und Günther Döscher und Christoph Prüfer (CDU zur FDP) sind die Wähler in Norderstedt mürbe: Warum sollen sie überhaupt noch ein Kommunalparlament wählen, wenn sich die Mandatsträger hinterher allein ihrer persönlichen Meinung und nicht mehr dem Wähler verpflichtet fühlen?

Offenbar scheint der Unmut der Bürger zu einem Umdenken in der Norderstedter Politik zu führen. Katrin Fedrowitz, Vorsitzende der SPD in Norderstedt, ist zu der Erkenntnis gekommen, dass die Kommunalpolitik dem Bürger "einen solchen Wechsel-Zirkus wie in den vergangenen Monaten nicht mehr zumuten" darf. Deshalb wollen die Sozialdemokraten nun mit gutem Beispiel voran gehen. Fedrowitz: "Die SPD Norderstedt wird mit sofortiger Wirkung keine Fraktionswechsler mit Mandat mehr aufnehmen und auch keine Aufnahme in unsere Fraktion befürworten." Fedrowitz will in den kommenden Wochen mit allen Norderstedter Parteivorsitzenden darüber das Gespräch suchen, um einen überparteilichen Konsens zu erzielen.

Der aktuelle Fall des Fraktionsübertrittes von Doris Vorpahl von der SPD zur CDU habe gezeigt, dass die Kommunalpolitik die Grenze ihrer Glaubwürdigkeit erreicht hat, so Fedrowitz. "Ich sehe es nicht als meine Aufgabe an, über die Motive von Frau Vorpahl zu spekulieren - das allein schon aus Rücksicht auf sie", sagt die SPD-Vorsitzende. Der dritte Fall eines Fraktions- beziehungsweise Parteiwechsels in der aktuellen Wahlperiode belege, dass keine Partei dagegen immun ist. Fedrowitz spart in ihrem Vorstoß auch nicht an Selbstkritik und gibt ihrem Versprechen an die Wähler so mehr Nachdruck. "Die ,Überläufer' wurden auch von uns stets mit der Forderung konfrontiert, ihr Mandat niederzulegen beziehungsweise herzlich willkommen geheißen, wenn die Entscheidung für einen Übertritt zu unseren Gunsten gefallen ist. Dieses Verhalten mag parteipolitisch gesehen nachvollziehbar sein; von außen betrachtet war es im Kern nicht vernünftig."

Fedrowitz ist sich bewusst, dass das Verhalten der "Überläufer" vom Grundgesetz gedeckt ist. Das freie Mandat ist auf kommunaler Ebene durch das Grundgesetz geschützt. Egal, ob es im Wahlkreis oder über eine Parteiliste errungen wurde. "Viel schwerwiegender ist für mich der Glaubwürdigkeitsverlust für die Kommunalpolitik insgesamt, der Wert der Wählerentscheidungen tendiert zunehmend gegen Null", sagt Fedrowitz. Bei jedem Kommunalpolitiker müssten deswegen die Alarmglocken schrillen, weil viele Norderstedter sich fragen, warum sie überhaupt noch ihre Stimme abgeben sollen, wenn einzelne Abgeordnete ohnehin beliebig mit ihrem Mandat umgehen - von der Verlässlichkeit inhaltlicher Aussagen ganz zu schweigen. "Das wird sich glasklar in der Wahlbeteiligung widerspiegeln - und mit Sicherheit nicht positiv", sagt Fedrowitz.

Sie plädiert für eine freiwillige Vereinbarung zwischen den Parteien und Fraktionen, den Wechsel von Stadtvertretern während einer Wahlperiode auszuschließen. Die Gewissensfreiheit, sich politisch anders zu orientieren, werde dadurch nicht eingeschränkt. "Ich halte jedoch eine Wartezeit für zumutbar. Nur so können wir in Zukunft verhindern, dass der Eindruck entsteht, Eigennutz und Machtgehabe würden den Ausschlag für einen Wechsel geben", so Fedrowitz.

Die Gegenposition zum Vorstoß der Genossen nimmt der ehemalige CDU- und FDP-Stadtvertreter Günther Döscher ein. Er stellt für sich klar: "Gewählte Stadtvertreter und Stadtvertreterinnen verpflichten sich, ihr Engagement der Stadt zu widmen. Sie sind allein ihrem Gewissen verantwortlich, nicht irgendeiner Partei. So sagt es das Gesetz, das den Fraktionszwang verbietet." In der Realpolitik sei die Forderung allerdings vergeblich. Denn es herrsche innerhalb der Fraktionen oft die "preußische Abstimmungsdisziplin, die hart eingefordert wird". Die Wahlprogramme würden den aktuellen Notwendigkeiten weichen. Döscher: "Die beste Lösung kommt aber nicht immer aus dem richtigen Parteibuch. Wer will, dass seine Meinung wirkt, muss sie dort einbringen, wo sie mitzählt. Es geht ja um Mehrheiten. Abtrünnig nennt man dann jene, die ihrer Überzeugung treu bleiben. Das ist paradox."

Wie das praktisch aussieht, wenn ein Kommunalpolitiker nicht seinem Parteibuch, sondern seiner Meinung treu bleibe, das beschreibt Döscher am eigenen Beispiel. Von der FDP zur CDU seien er und sein Parteikollege Christoph Prüfer gewechselt, "um mehr Diskussion statt Vorstandsbeschlüsse ins bürgerliche Lager zu bringen". Danach kehrten sie parteilos wieder in die CDU-Fraktion zurück, um nicht den fast dreijährig erarbeiteten Flächennutzungsplan scheitern zu lassen. "Er war verbunden mit dem Autobahnanschluss Norderstedt-Mitte, den die Norderstedter FDP entgegen ihrer ursprünglichen Wahlaussage kippen wollte. Weder ich noch Christoph Prüfer wollten Killer einer Planung sein, die bereits von zwei Kreisen, Land und Bund befürwortet war."