Der Bramstedter Wolfgang Schürer vom Weißen Ring berichtet im NZ-Interview über die ehrenamtliche Hilfe

Wenn Menschen Opfer einer Straftat werden, beginnt für viele eine lange Phase des Leidens. Nach Raub oder Diebstahl müssen sie mit den materiellen Verlusten zurechtkommen. Einige sind auf Hilfe angewiesen, weil sie das Verbrechen seelisch nicht verkraften. NZ-Redakteur Wolfgang Klietz sprach darüber mit dem neuen Leiter des Weißen Rings in Kaltenkirchen, Wolfgang Schürer. Der Bramstedter ist seit wenigen Wochen im Amt.

Norderstedter Zeitung:

Nach einem Verbrechen stehen häufig die Täter im Fokus der Öffentlichkeit. Werden die Opfer vergessen?

Wolfgang Schürer:

Leider sehr oft. Aus diesem Grund wurde 1976 der Weiße Ring gegründet. Die Initiative ging von Eduard Zimmermann aus. Es waren 17 Personen, die den Verein Weißer Ring seinerzeit gegründet haben. Seit vielen Jahren umspannt das Tätigkeitsfeld des Weißen Rings das gesamte Bundesgebiet. Etwa 3000 Mitarbeiter bundesweit, davon 150 in Schleswig-Holstein, sind ehrenamtlich als Helferinnen und Helfer ansprechbar.

Norderstedter Zeitung:

Wie kann der Weiße Ring helfen?

Schürer:

Unter anderem durch menschlichen Beistand für Opfer und deren Angehörige. Wichtig ist aktives Zuhören. Das Opfer hat ein großes Mitteilungsbedürfnis. Wir geben Hilfestellung im Umgang mit Behörden, Begleitung zu Terminen bei Polizei und Gericht. Wir helfen bei der Durchsetzung von Ansprüchen und Leistungen, zum Beispiel nach dem Opferentschädigungsgesetz OEG. Wir vermitteln auch Hilfen von anderen Stellen. Wir helfen finanziell mit Erstberatungsschecks für Anwälte und in der Psychotraumatologie, geben Soforthilfe, Opferhilfe und Ferienhilfe. Natürlich nicht mit der Gießkanne.

Norderstedter Zeitung:

Wäre es nicht die Aufgabe des Staates, einem Opfer nach einer Straftat zu helfen?

Schürer:

Das ist richtig, aber für den Staat hat die Strafverfolgung Vorrang. Die Opferhilfe kann er nur ganz begrenzt bis gar nicht leisten. Bis 1976 hatten Opfer krimineller Taten keine Rechte. Dies hat der Weiße Ring durch seine Lobbyarbeit verbessert. Die Internetseite des Weißen Rings www.weisser-ring.de bietet hierzu umfassende Informationen.

Norderstedter Zeitung:

Müssen die Täter stärker herangezogen werden, um beispielsweise die finanziellen Folgen ihrer Tat wieder gutzumachen?

Schürer:

Der Weiße Ring nimmt keine Stellung zu den Tätern. Wenn der Staat Bürger nicht ausreichend schützen kann, muss er dafür Sorge tragen, dass dem Opfer alle Hilfe zukommt, die ihm zusteht und dafür, dass Schadenersatz geleistet wird. Es gibt keine staatlichen Zuwendungen. Der Weiße Ring finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden, testamentarischen Verfügungen wie Erbschaften und Vermächtnissen sowie Zuweisungen von Geldbußen durch Gerichte und Staatsanwaltschaften und sonstige Einnahmen wie Zinserträge und Lizenzgebühren.

Norderstedter Zeitung:

Stehen ausreichend Fachleute, zum Beispiel Psychologen und Anwälte, zur Verfügung, um die Opfer zu unterstützen?

Schürer:

Bei Psychologen und Psychotherapeuten sieht es sehr schlecht aus. Da gibt es meistens lange Wartezeiten. Besonders in der Kinderpsychologie herrscht ein großes Defizit. Bei Anwälten des Strafrechts ist die Situation etwas günstiger.

Norderstedter Zeitung:

Wie bewältigen Sie es persönlich, mit dem grausamen Schicksal mancher Opfer konfrontiert zu werden?

Schürer:

Wenn Kinder und Jugendliche sexuell, seelisch oder körperlich misshandelt werden oder bei alten Menschen in das private Umfeld eingedrungen wird, geht mir das schon sehr nahe. Aber ich habe durch meine berufliche Tätigkeit gelernt abzuschalten. Der Austausch mit Kollegen ist eine große Hilfe. Bei den regelmäßigen Treffen und natürlich auch außerhalb dieser Treffen. Auch der regelmäßige Besuch der sehr guten Seminare für Mitarbeiter des Weißen Rings helfen dabei.