Jeden Tag trifft sich eine Gruppe von Leuten am S-Bahnhof Norderstedt-Mitte an einem Brunnen, wo meistens gemeinsam Bier getrunken wird.

Norderstedt. Im April dieses Jahres gesellte sich Jan R., 38, dazu und bat seinen Bekannten Benjamin W., 24, auf seine Wertsachen aufzupassen, während er selbst sich eine Cola holte. Als R. zurückkehrte, war sein Handy der Marke Samsung im Wert von 200 Euro verschwunden. Für die Männer stand außer Frage, dass als Dieb nur der in der Nähe am Brunnen sitzende Karsten K., 46, in Frage kam. Jan R. zeigte ihn an, es folgte jetzt ein Wiedersehen vor dem Amtsgericht in Norderstedt.

Der mutmaßliche Dieb Karsten K. aus Norderstedt brachte das Handy, das die Polizei zuvor vergeblich in dessen Wohnung gesucht hatte, drei Tage nach dem Verschwinden des Gerätes zur Polizei. Angeblich hatte er es im Badezimmer in seiner Schmutzwäsche gefunden. Eine Erklärung dafür hat der Angeklagte auch parat: Benjamin R. habe ihn an dem besagten Tag im April in seiner Wohnung aufgesucht und zu Boden geschlagen. Dabei habe er wohl das Handy verloren, und irgendwie sei es dann im Badezimmer in der Schmutzwäsche gelandet.

Richter Reinhard Leendertz fragt den großen, kräftig gebauten Angeklagten nach seinem Gewicht: "106 Kilo", lautet die Antwort - der angebliche Angreifer Jan R. ist hingegen relativ klein und schmächtig. Er sei aber krank, deshalb Frührentner und alles andere als fit, betont der Angeklagte.

Jan R., der als Beruf Sounddesigner angibt, erzählt dagegen, dass er sich sein Handy aus der Wohnung des Angeklagten habe holen wollen. Er habe es dort auch liegen sehen, doch der Angeklagte habe ihm mit Mord gedroht und ihn aus der Wohnung gedrängt. Das Handy hat Jan R. als Beweisstück mitgebracht. Es ist verbogen und unbrauchbar.

Zur Aufklärung dieser verworrenen Geschichte können zwei weitere Zeugen, die sich nach eigenen Angaben fast täglich am Brunnen aufhalten, nichts beitragen. Eine Verfahrenseinstellung erscheint schließlich sowohl dem Richter als auch dem Staatsanwalt als die vernünftigste Lösung, denn der Angeklagte brachte das angeblich gestohlene Handy ja zur Polizei, wenn auch beschädigt, und die Streitigkeiten unter den Beteiligten zu klären, sei nicht Aufgabe eines Strafgerichts.

So endet das Verfahren trotz der Proteste des Angeklagten ("Die lügen hier alle wie gedruckt, das kann doch nicht durchgehen!") mit einer Einstellung des Verfahrens.