Gemeinsam mit 15 anderen deutschen Oberbürgermeistern erarbeitete Hans-Joachim Grote in Berlin ein Eckpunkte-Papier

Norderstedt. Nicht wenige Kommunen stehen in Deutschland vor dem Kollaps. Die Kassen sind leer, die Liste der unerledigten und kommenden Aufgaben aber wird immer und immer länger. Manche Städte müssten längst mit Burn-out-Syndrom auf der Intensivstation liegen. Aber selbst dafür fehlt das Geld.

Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote geht es da noch Gold. Er hat die Zügel in der Verwaltung einer finanziell gut aufgestellten Stadt wie Norderstedt in der Hand. Dass er daran nicht ganz unbeteiligt ist, wurde ihm nun aus dem Kreis der Kollegen in Deutschland bestätigt. Grote wurde als einer von 16 Verwaltungschefs des Landes nach Berlin in einen Arbeitskreis mit Unterstützung des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) eingeladen. Hier darf nur dabei sein, wessen Stadt oder Kommune zu den deutschlandweit Führenden bei der kommunalen Nachhaltigkeitspolitik zählt.

Neben Grote und Norderstedt sind dies derzeit Andreas Bausewein (Erfurt), Andreas Brand (Friedrichshafen), Horst Frank (Konstanz), Kurt Gribl (Augsburg), Burkhard Jung (Leipzig), Ulrich Mädge (Lüneburg), Ulrich Maly (Nürnberg), Jürgen Nimptsch (Bonn), Boris Palmer (Tübingen), Daniel Rapp und Hermann Vogler (Ravensburg, Vogler bis 2010), Dieter Salomon (Freiburg), Werner Spec (Ludwigsburg), Christian Ude (München), Stephan Weil (Hannover) und Eckart Würzner (Heidelberg). Ziel der Runde war es, ein Eckpunkte-Papier zu erarbeiten, in dem vereinbart wird, was die Verwaltungschefs für eine nachhaltige Entwicklung in ihren Städten und darüber hinaus tun wollen.

Vertreten durch die Oberbürgermeister Werner Spec (Ludwigsburg), Burkhard Jung (Leipzig) und Dieter Salomon (Freiburg) wurde das Papier Ende vergangener Woche vor der Hauptstadtpresse in der Bundespressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt. Spec, Jung und Salomon forderten stellvertretend für die Kollegen von der Bundes- und Landespolitik mehr Unterstützung und bessere Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Finanz-, Wirtschafts- und Klimapolitik. Die Oberbürgermeister appellierten deshalb an die Bundesregierung, die Schieflage im Gemeindefinanzierungssystem zu korrigieren: Neue Aufgaben sollen nur an die Kommunen übertragen werden, wenn zuvor eine einvernehmliche Finanzierungslösung gefunden wurde.

Zudem mahnten sie die Beseitigung von Hindernissen für kommunalen Klimaschutz und von Barrieren für eine nachhaltigere Wirtschaft in ihren Städten an. Die Oberbürgermeister betonten, eine zukunftsfähige Politik in Deutschland sei nur dann möglich, wenn Bund, Länder und Kommunen an einem Strang zögen. Deshalb forderten sie eine intensivere Zusammenarbeit der politischen Ebenen auf Augenhöhe.

Die Initiative der Oberbürgermeister wird unterstützt und begleitet vom Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE). Hans-Peter Repnik, ehemaliger CDU-Spitzenpolitiker aus Markelfingen (Bodensee) und derzeit Vorsitzender des Nachhaltigkeitsrates: "Die Kommunen sind der Ort, an dem die Menschen den notwendigen Umbau der Energieversorgung, des Verkehrssektors und der Rohstoffwirtschaft unmittelbar erleben. Hier leben die Menschen, und hier müssen wir sie für eine nachhaltige Lebensweise gewinnen."

Das von den Oberbürgermeistern erarbeitete Eckpunkte-Papier liegt bereits als reich bebilderte Broschüre vor. Kurz gefasst lässt sich der Inhalt auf vier Eckpunkte verengen.

Nachhaltigkeit muss von den Menschen her gedacht werden: konkret, lebendig, zupackend, mit Perspektive und gemeinsam mit den Menschen. Die Oberbürgermeister verpflichten sich deshalb, bei der Umsetzung von Projekten der Nachhaltigkeit auf den Dialog mit dem Bürger und seine Partizipation zu setzen. "Bei allen Unterschieden unserer Städte haben wir mit Engagement und Beteiligung gute Erfahrungen gemacht. So werden beim Klimaschutz aus vielfältigen Ideen und kreativen Vorschlägen langfristige Visionen und Konzepte", heißt es in dem Papier.

Nachhaltigkeit bedeutet, nicht mehr Ressourcen zu verbrauchen, als zur Verfügung stehen - auch in finanzieller Hinsicht. Deshalb verpflichten sich die Oberbürgermeister, sich für einen ausgeglichenen Haushalt und den Schuldenabbau zugunsten kommender Generationen einzusetzen.

"Um Kostentransparenz herzustellen, prüfen wir bei allen größeren Investitionsprojekten die Lebenszeitkosten. Den haushälterischen Umgang mit finanziellen und natürlichen Ressourcen wollen wir in Zukunft mit Nachhaltigkeitsprüfungen sicherstellen."

Eine nachhaltige Entwicklung erfordert integriertes Zusammenwirken aller Ressorts. Deshalb wollen alle Oberbürgermeister Nachhaltigkeit zur Chefsache machen und diese Querschnittsaufgabe in Politik und Verwaltung integrieren.

Die kommunalen Unternehmen und das Beschaffungs- und Vergabewesen sollen am Leitbild der Nachhaltigkeit ausgerichtet werden. "Die EU, die Bundesregierung und die Länder fordern wir auf, die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Beschaffung und für nachhaltiges Wirtschaften zu verbessern."

Bund, Länder und Kommunen müssen an einem Strang ziehen, wenn sie mit Nachhaltigkeitsstrategien wirklich ernst machen wollen, fordern die Oberbürgermeister. Eine stärkere Abstimmung zwischen den Kommunen, den Ländern, dem Bund und der EU sei deswegen nötig.

"Wir sind bereit, unsere Nachhaltigkeitsstrategien und deren Messgrößen an den Nachhaltigkeitsstrategien von Bund und Ländern zu orientieren. Wir erwarten aber auch, dass der Bund und die Länder die Kommunen bei der Fortentwicklung ihrer Strategien wirksamer einbinden und dass sie ihre Politik stärker als bisher am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung ausrichten."