Die Aktion “Der Hafen hilft!“ vermittelt Spenden und Helfer, zum Beispiel zum Renovieren bei der Norderstedter Familienbildung

Norderstedt. Normalerweise steht Osman Kohl, 41, ganz nah bei den ganz großen Pötten, den Container-Riesen, den Luxuslinern und Privatyachten in den Docks von Blohm & Voss im Hamburger Hafen. Der Vorarbeiter kümmert sich mit seinen Leuten um die Reparaturen der Schiffshüllen. Und das seit 25 Jahren.

Normalerweise werkelt Rohrschlosser Timo Mewes, 28, im Bauch der dicken Schiffe. Seine Sache bei Blohm & Voss sind seit elf Jahren die stählernen Rohrleitungssysteme in den Schiffen, ihre Schlagadern also.

Normalerweise sorgt sich Jan Cornehl, 41, um Feuer und Flamme in den stählernen Patienten in den Trockendocks bei Blohm & Voss. Seit sechs Jahren ist er der Mann für den vorbeugenden Brandschutz.

Die drei Jungs sind also echte Hafenarbeiter. Doch jetzt stehen sie mit ihren Overalls und Arbeits-T-Shirts, auf denen die Namen von großen Schiffen aufgestickt sind, an denen sie gearbeitet haben, im abgenutzten Gymnastikraum der Familienbildung Norderstedt im Kirchlichen Zentrum am Falkenberg und streichen die Wände. Dazu dudelt im Radio 80er-Jahre-Mucke, und die Jungs summen mit.

Ihnen zu Füßen - faktisch, nicht im übertragenen Sinne - sitzt Anja van Eijsden, 37, die dafür verantwortlich ist, dass die Männer für ein paar Tage das Trockendock mit dem festen Grund am Falkenberg tauschen und hier ihre Überstunden abbummeln. Van Eijsden ist Betriebsingenieurin, bei Blohm & Voss leitet sie die gesamte Schiffs-Baustelle, organisiert die Überholung der Maschinen der großen Frachtschiffe und Ozean-Liner oder die komplette Runderneuerung der Inneneinrichtung von Kreuzfahrtschiffen. "We repair anything that floats! Wir reparieren alles was schwimmt und schwabbelt", zitiert van Eijsden das Credo ihres Arbeitgebers. Es gibt aber einige Tage im Hafen, da "schwabbelt" eben gerade kein reparaturbedürftiges Schiff in die Trockendocks. Da kam Van Eijsden auf die Idee, den Leerlauf auf den Werften und in den Hafenbetrieben mit der sozialen Ader vieler ihrer Kollegen im Hafen zu kombinieren. Heraus kam eine wirklich gute Idee: Die Aktion "Der Hafen hilft".

Eine gleichnamige Internet-Plattform bringt seit einem Jahr die Helfer aus dem Hafen und private Spender mit den Bedürfnissen anerkannter sozialer Einrichtungen im Großraum Hamburg zueinander. In erster Linie geht es dabei um handwerkliche Hilfe und Sachspenden. Eine Einrichtung sucht Erwachsenen- oder Kinderkleidung in verschiedenen Größen. Und ein Privatmann oder eine Firma haben gut erhaltene Kleidung und keine Zeit oder Lust, diese auf dem Flohmarkt zu verkaufen. Also kann sie über die Vermittlung von "Der Hafen hilft" direkt an die soziale Einrichtung gespendet werden.

Oder eine Kita sucht jemanden, der den Sandkasten zusammenbaut, und ein Spender oder Arbeiter aus dem Hafen kommt zufällig sowieso täglich dort vorbei und hat Werkzeug, Zeit und die Fähigkeit, den Aufbau kostenlos zu erledigen.

Birgit Harpering, die Leiterin der Norderstedter Familienbildung, bekam Wind von der guten Idee aus dem Hamburger Hafen und meldete über die Homepage des gemeinnützigen Vereins ihren Wunsch nach der Renovierung ihrer Räumlichkeiten in Norderstedt an. "Ich war echt baff, als ich sofort eine Rückmeldung mit dem Angebot bekam, dass in der 41. Kalenderwoche drei Leute aus dem Hafen und Anja van Eijsden vorbeikommen wollen, um die Wände zu streichen. Großartig!", sagt Harpering. Sie musste nur die Farbe, die Farbroller und Pinsel bereitstellen. "Außerdem natürlich Getränke. Und ich habe dem Koch des kirchlichen Zentrum gebeten, Eintopf für die fleißigen Hafen-Helfer zu kochen", sagt Harpering.

Anja van Eijsden hat neben ihrem Arbeitgeber weitere 30 Firmen und Organisationen aus dem Hamburger Hafen für den Verein gewinnen können. "Ohne die vielen aktiven Helfer und Spenden würde es nicht gehen", sagt die Betriebsingenieurin. Bei den Sachspenden an soziale Einrichtungen spielen zum Beispiel die Kreuzfahrtschiffe und ihre Eigner eine wichtige Rolle. "Wenn diese Schiffe generalüberholt werden, fallen auf einen Schlag Hunderte von ausgemusterten TV-Geräten oder Möbelstücken an. Die vermitteln wir dann an die Organisationen", sagt van Eijsden. Im ersten Jahr ihres Bestehens hat sich die Aktion "Der Hafen hilft" besonders um Einrichtungen für Obdachlose oder Frauenhäuser gekümmert. "Aber im Prinzip sind wir für alle sozialen Einrichtungen da", sagt die Initiatorin des Vereins.

Auf der Homepage des Vereins können die Helfer ihre Arbeitskraft anbieten. Ebenso können die sozialen Organisationen ihre Wünsche anmelden. Und Spender können ihre gebrauchten Sachspenden einstellen.

Wie gut die Aktion funktioniert, das dokumentieren die mittlerweile 59 Einträge von den begeisterten Empfängern der Hilfe aus dem Hafen im Gästebuch der Homepage. Da schreibt beispielsweise das Team der Hamburger Obdachlosen-Straßenzeitung "Hinz & Kunzt": "Schönen Dank an Anja und das ganze Team. Betten, Clubsessel und Tischchen von der ,Bremen' erfreuen jetzt viele Hinz & Künztler." Und Mike Kudret vom Eltern-Kind-Zentrum Wilhelmsburg schreibt: "Herzlichen Dank für den Kleiderschrank, den eine Mutter mit fünf Kindern in Wilhelmsburg erhalten hat. Jetzt kann endlich wieder Ordnung im Zimmer geschaffen werden. Danke!"

Und wenn Osman Kohl, Tino Mewes, Jan Cornehl und Anja von Eijsden bei der Familienbildung die Wände gestrichen haben, wird von Birgit Harpering bestimmt der 60. Dankes-Eintrag folgen.