Rentner wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung angeklagt. 67-Jähriger soll Nachbarin Weg versperrt und sie geschlagen haben.

Norderstedt. Gisela M., 72, begegnet bei ihren täglichen Radtouren durch Norderstedt häufig ihrem in einer Parallelstraße in Norderstedt wohnenden Nachbarn Jörg W., 67. Viermal täglich geht W. mit seinem Hund, weiß die Rentnerin vor Gericht zu berichten, oft nehme er die gesamte Breite des Geh- und Fahrradweges an der Hamburger Straße ein und lasse sie mit ihrem Fahrrad nicht durch. Aus diesem Grund gerieten die beiden Rentner schon mehrfach aneinander.

An einem Tag im Oktober des letzten Jahres soll Jörg W. Gisela M. wieder einmal den Weg versperrt haben. Der Streit eskalierte derart, dass Jörg W. das Fahrrad von Gisela M. durch die Luft warf und sie anschließend mehrmals auf den Kopf und in den Bauch schlug.

Für Jörg W. hatte die Sache böse Folgen: Er verlor seinen Job als Ausfahrer eines Blumenladens, vor dem sich die Prügelei abspielte und wurde wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung angeklagt.

Vor dem Amtsgericht in Norderstedt erzählt der Angeklagte, Gisela W. habe ihn absichtlich angefahren und versucht, ihn auf die dicht befahrene Straße zu drängen, er habe das Fahrrad über einen Sandhügel gehoben, aber nur um sich zu wehren. Gisela W. habe ihn regelrecht verfolgt, geschlagen habe er sie nicht.

Die beiden Kontrahenten landeten nach dem Streit in dem Blumenladen, für den der Angeklagte arbeitete, die Polizei nahm dort die Ermittlungen auf, was seinem Arbeitgeber so peinlich gewesen sei, dass er ihn entlassen habe, so der Angeklagte.

Gisela M. genießt offensichtlich ihren Auftritt als Zeugin. Die temperamentvolle Frau ist kaum zu bremsen und erzählt weitschweifig von ihren vielen Krankheiten, springt immer wieder von ihrem Stuhl auf, gestikuliert wild vor dem Richtertisch herum und lacht zeitweise, um einen Moment später in weinerliches Selbstmitleid zu verfallen.

Breitbeinig habe ihr der Angeklagte den Weg versperrt, sodass sie sich an ihm vorbeizwängen musste, berichtet Gisela M., sie habe ihn nur leicht am Fuß berührt, daraufhin habe der Angeklagte ihr Rad durch die Luft geworfen. Und als sie es aufheben wollte, habe W. auf sie eingeschlagen.

Da auch ein unbekannter Passant, der die Polizei rief, von Schlägen auf die Radlerin berichtet hatte, steht für Richter Reinhard Leendertz fest, dass der Angeklagte tatsächlich zugeschlagen hat, wenn auch laut Arztbericht Gisela M. äußerlich keine Verletzungen davontrug. An dem Streit tragen nach Ansicht des Gerichts beide Kontrahenten eine Mitschuld, da sie sich gegenseitig provoziert haben.

Richter Reinhard Leendertz stellt deshalb das Verfahren gegen den bisher nicht vorbestraften Angeklagten mit der Auflage ein, dass er 500 Euro Schmerzensgeld an sein Opfer Gisela M. zahlt.

Gisela M, die während des gesamten Prozesses trotz mehrfacher Ermahnungen große Mühe hatte, den Mund zu halten, klatscht aus dem Zuschauerraum lautstark Beifall.

"Halten sie sich künftig von dieser Frau fern", lautet zum Abschluss der Verhandlung der gute Rat, den der Norderstedter Amtsrichter dem Angeklagten mit auf den Weg gibt.