Autos waren verboten, dafür herrschte Partystimmung auf der sonst viel befahrenen Hauptverkehrsader. Zehtausende feierten beim Straßenfest
Norderstedt. In riesigen Sätzen hüpften sie auf der Ulzburger Straße herum: Die Bouncer-Gruppe aus Hamburg hatte die Sprungfedern untergeschnallt und machte mit bei einem Umzug, der in dieser Mischung Seltenheitswert haben dürfte. Sambatänzerinnen ließen ihre bunten Röcke fliegen, die Trommler von Fogo do Samba gaben, lautstark wie immer, den Rhythmus vor, Stelzenläuferinnen hatten in ihren schrillen Kostümen den Überblick, und die Feuerwehr spielt dazu.
Mehr als 300 Akteure machten Movimento auch in diesem Jahr zu einem echten Erlebnis. Daran konnten auch die Regentropfen, die pünktlich zum Start des Festumzuges aus den Wolken fielen, nichts ändern. Am Straßenrand applaudierten, tanzten und fotografierten die Zuschauer, die kurz vorher selbst noch da unterwegs waren, wo sonst die Autos dominieren.
Zum dritten Mal war die Ulzburger Straße zwischen Langenharmer Weg und Harckesheyde autofrei. Die Geschäftleute vom Initiativkreis "Die Ulzburger Straße" und die Stadt hatten wieder zum Bummeln, Klönen und Shoppen eingeladen. Das Straßenfest ist Teil der Europäischen Mobilitätswoche, die vom 16. bis 22. September läuft. "Clever unterwegs, besser leben" lautet in diesem Jahr das Motto der Initiative, die die Menschen dazu animieren will, das Auto stehen zu lassen und sich am besten mit eigener Muskelkraft vorwärts zu bewegen.
Die Norderstedter folgten dem Aufruf. 50 000 Besucher hatte Susanne Schneider, Sprecherin des Initiativkreises, angepeilt. Bei Redaktionsschluss war nicht klar, ob sie die Rekordbeteiligung erreicht hat. Unübersehbar war aber, dass die Norderstedter das Fest immer besser annehmen. Spätestens ab mittags war die Fahrbahn voll von Menschen, mehrere Zehntausend dürften sich auch in diesem Jahr auf die Beine gemacht haben. Getreu dem Motto der Mobilitätswoche flanierten die meisten zu Fuß über die Straße, viele mit Kinderwagen, manche mit Hund.
Man kann ja keine fünf Meter gehen, ohne dass man einen Bekannten trifft", sagte ein Mittvierziger, der sich gerade mit seiner Frau zu einer kurzen Pause auf einer der hölzernen Bänke niedergelassen hatte, die am Straßenrand zur Rast einluden. Die Fahrbahn war genauso Treffpunkt wie die zahlreichen Imbiss- und Getränkestände.
Immer wieder mussten die Klöngruppen zur Seite ausweichen. Trotz des Autoverbots herrschte reger Verkehr auf der Straße. Zwei Eisbären grüßten die Festgäste fröhlich winkend vom Fahrrad aus. 18 Männer, Frauen und Kinder traten im "Nebeneinanderdem" in die Pedalen, am Steuer saß ein echter Busfahrer der Pinneberger Verkehrsgesellschaft und trötete immer wieder den Weg frei. Kinder absolvierten unter fachkundiger Aufsicht einen Mini-Verkehrsparcours.
Eine Menschentraube bildete sich, als Kinder und Jugendliche plötzlich mitten auf dem Asphalt durch die Luft wirbelten. Die Jungen und Mädchen des "Athletic Cheer Project" von TuRa Harksheide brachten die Zuschauer mit akrobatischen Flug- und Bodeneinlagen zum Staunen. Überall war was los, in den Geschäften und davor, auf den Bürgersteigen und in den Vorgärten - da hatten die Bewohner sogar einen kleinen Flohmarkt organisiert.
Die Kinder tobten auf der Hüpfburg, malten, ließen sich schminken oder testeten beim Bull-Riding ihre Sitzfestigkeit. Angelina, 10, und erprobte Reiterin, blieb auf dem elektronisch gesteuerten bockigen Bullen immerhin einige Runden im Sattel, ehe sie auf dem weichen Untergrund landete. "Das macht viel Spaß", sagte das Mädchen, das mit seiner Mutter zum Straßenfest gekommen war.
Gedränge herrschte auch im Zelt der Stadtplaner. Die hatten ein neun Meter langes maßstabsgerechtes Modell des Straßenbereichs aufgebaut. Die Einkaufsstraße soll attraktiver gestaltet werden. Und dabei haben auch Anwohner, Eigentümer und Geschäftsleute das Wort.
"Ich finde es toll, dass wir nicht nur mitreden, sondern auch gestalten können", sagte Bibah Kalinski, die eine Änderungsschneiderei an der Ulzburger Straße betreibt und demnächst auch gegenüber wohnt. Sie holte sich "ihren" Straßenabschnitt aus dem Modell, setzte sich an den Kreativtisch, griff sich Schere und Pappe und schnitt Rasen, einen Stuhl und Tisch und eine niedrige Mauer aus. "Es muss hier auf jeden Fall viel wohnlicher und grüner werden", befand die Norderstedterin.
Auch wenn nicht jeder selbst Hand anlegte, erfüllte das Modell seinen Zweck: Die Bürger kamen miteinander ins Gespräch und diskutierten auch schon mal heftig über die Zukunft der Hauptverkehrsstraße. "Das ist doch eine Versorgungsstraße, da kann man doch nicht Tempo 30 einführen", sagte eine ältere Frau, die am Glashütter Weg wohnt. "Wir wohnen aber direkt an der Ulzburger und würden es schon begrüßen, wenn es dort leiser wäre", entgegneten zwei Frauen.