Trotz der längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke wird in Norderstedt weiterhin auf alternative und vor allem intelligente Energiegewinnung gesetzt

Norderstedt. Im ganzen Land begehren die Stadtwerke gegen den von der schwarz-gelben Regierungskoalition vereinbarten Kompromiss zur Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken auf. "Wir haben uns auf den beschlossenen Atomausstieg verlassen und massiv in die eigenen Versorgungskapazitäten investiert", sagt der Leiter der Norderstedter Stadtwerke, Jens Seedorff. Mittlerweile sechs eigene Blockheizkraftwerke stehen im Stadtgebiet, sie produzieren etwa 60 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr, was etwa 20 Prozent des Bedarfs in der Stadt Norderstedt ausmacht.

Bisher gilt nach dem von der rot-grünen Vorgängerregierung beschlossenen Atomausstieg eine Laufzeit von 32 Jahren. Danach wäre der letzte der 17 Atommeiler in Deutschland 2025 vom Netz gegangen. Jetzt sollen ältere Atomkraftwerke acht und die neueren 14 Jahre länger laufen, im längsten Fall also bis 2039. "Das entwertet in gewisser Weise unsere Investitionen in die nachhaltige und CO2-extensive Energiegewinnung", sagt Seedorff. Denn die Grundlast des Energiebedarfs in Deutschland werde nun länger als gedacht von den Atomkraftwerken gedeckt.

Die Norderstedter Stadtwerke werden aber nicht so hart von der Entwicklung getroffen wie größere Stadtwerke, die teure Anlagen mit Gas-Turbinen für die Stromerzeugung angeschafft haben. Die bekommen ihren Strom auf den Börsen nicht mehr los. Die Norderstedter Heizkraftwerke werden mit Motoren betrieben und reduzieren den CO2-Ausstoß gegenüber fremdbezogener Energie, am Beispiel des Kraftwerks am Buchenweg macht das etwa 10 000 Tonnen CO2 im Jahr aus.

Seedorff ist nach wie vor vom Weg der Norderstedter Stadtwerke überzeugt. "Wir werden uns nicht von unserem Energiekonzept verabschieden und weiterhin in CO2-mindernde Systeme wie die Kraftwärmekopplung investieren."

Perspektivisch wollen die Stadtwerke die Gasversorgung der Stadt komplett auf Bio-Gas umstellen. Außerdem ist das Konzept des "Gezeitenstroms" in der Pilotphase. Seedorff: "Regenerative Energieformen werden immer dann erzeugt, wenn sie nicht abgenommen werden können. Es fehlen die Speichermöglichkeiten", sagt der Stadtwerke-Chef. Deswegen brauche es die intelligente Netzführung, um den sauberen Strom an den Kunden bringen zu können. Und Küchengeräte oder auch Elektroautos und andere elektrisch betriebene Maschinen, die den Strom nicht nur je nach Bedarf verbrauchen, sondern ihn speichern, wenn sie ihn nicht brauchen.

Durch den Atomkompromiss sei bei diesen innovativen Energiesystemen "der Druck aus dem Kessel genommen", so Seedorff. Deswegen wünscht sich der Stadtwerke-Chef die Unterstützung der Regierung, die den verzögerten Atomausstieg zu verantworten hat und zur Enttäuschung der Stadtwerke nicht auf die Innovationskraft der alternativen Energiewirtschaft gesetzt habe. Jens Seedorff betont: "Der Aufbau intelligenter Netze müsste jetzt von der Regierung honoriert werden. Sei es über Zuschüsse als Anreiz für die Kunden oder durch die Netzregulierung."

Die Städtetags-Präsidentin Petra Roth forderte deshalb bereits, dass die Stadtwerke eine Kompensation aus der geplanten Energie-Abgabe der Stromkonzerne sowie der Brennelementesteuer bekommen müssten. Roth: "Eine Laufzeitverlängerung ohne Ausgleich verbessert ausschließlich die Wettbewerbsposition der großen Energieversorger."