Die Junge Union beschreibt den Kreis Segeberg in einem Diskussionspapier als kostspieligen Ballast für die Stadt

Norderstedt. Was die Junge Union Norderstedt, der Nachwuchs der CDU in unserer Stadt, in einem jetzt veröffentlichten "Diskussionspapier" schreibt, klingt wie eine Kampfansage an die übrigen Städte und Gemeinden im Kreis Segeberg. "Will sich Norderstedt den Kreis Segeberg noch leisten?" fragen die jungen Konservativen. Bewusst provokativ werfen sie die - nicht mehr ganz neue - Frage auf, ob sich die dynamische und wirtschaftsstarke Stadt Norderstedt nicht abkoppeln und fortan als kreisfreie Stadt alle Einnahmen in den Stadtgrenzen behalten sollte. Oder ob die Gründung eines "Kreises Südholstein" mit der starken Stadt Norderstedt an der Spitze nicht überfällig sei.

Für die separatistischen Töne sorgen die JUler Dario Thomsen, Patrik Prochaska, Jan Grundmann, Richard Döbler, Patrick Dehn, Florian Mohr und Lars Schröder. "Aktiv begleitet" wurden sie in der Ausarbeitung des Papiers vom JU-Beauftragten der CDU-Norderstedt, Dirk Bruster. Der Vorstoß der Nachwuchs-Politiker entspringt deren Unmut über die aus ihrer Sicht untragbare Kreisumlage.

Die Hälfte der städtischen Einnahmen geht an den Kreis

Zurzeit führe Norderstedt 27 Millionen Euro jährlich an den Kreis ab. Das seien 35 Prozent der gesamten Kreisumlage und etwa 50 Prozent des gesamten Gewerbesteuereinkommens Norderstedts, rechnet die JU vor. Nach der Sommerpause werde der Kreistag die Umlagezahlungen für Norderstedt um wahrscheinlich 1,5 Prozentpunkte erhöhen, was weitere 1,1 Millionen Euro für Norderstedt bedeuten würde. Im Kreistag fordern CDU und FDP sogar die Erhöhung um vier Prozentpunkte, was ein Mehr von über drei Millionen Euro für Norderstedt bedeuten würde. Wie ein "Damoklesschwert" hänge diese Forderung über der Stadt, sagt die JU.

"Eine Gegenleistung gibt es dafür vom Kreis fast nicht", sagt Dario Thomsen. Außer der Kreisberufsschule im Schulzentrum Nord, der Ausländerbehörde und der Mülldeponierung übernehme die Stadt Norderstedt bereits jetzt einen Großteil der eigentlichen Kreisaufgaben. Und vom ursprünglichen Solidaritätsgedanken hinter der Abgabe, also der Vorstellung, dass die Starken im Kreis den Schwachen helfen, davon sei in der Realpolitik nicht mehr viel übrig geblieben, so die JU. Fakt sei, dass der Kreis pleite ist und nun im Rundumschlags-Verfahren allen Gemeinden tief in die Tasche greifen möchte. "Der Kardinalfehler im System ist einfach zu erkennen: Das Land hat die vorzuhaltenden Pflichtaufgaben an den Kreis delegiert - hier fallen nun die Kosten an", sagt der JUler Patrik Prochaska. Weil der Kreis kaum eigene Einnahmen habe, würden die Gemeinden und Städte eben zu "Milchkühen" gemacht.

Durch die Kreisfreiheit würden sich für Norderstedt völlig neue finanzielle Möglichkeiten ergeben. Mit knapp 30 Millionen mehr im Stadtsäckel ließe sich einiges umsetzen, so die JU. Hinzu kämen "Schlüsselzuweisungen" des Landes in Höhe von etwa 5 Millionen Euro. Die ohne Norderstedt nicht lebensfähigen Reste des Kreises sollen nach dem Modell der JU den Kreisen Stormarn und Pinneberg zugeschlagen werden.

Weil die JU selbst weiß, dass die Kreisfreiheit politisch kaum durchzusetzen sein wird, sei alternativ die Gründung eines "Kreises Südholstein" denkbar: Pinneberg, Segeberg und Stormarn fusionieren auf Augenhöhe und hielten ihren Kreistag in Zukunft in Norderstedt.

Schwammig werden die JUler wenn es um die Frage geht, was die Kreisfreiheit kostet. "Aufwendungen für Soziales" wären gegenzurechnen und "nicht zu unterschätzen."

Soweit zur provokanten Theorie. In der politischen Praxis stößt das "Diskussionspapier" sogar innerhalb der CDU eher auf Kopfschütteln. "Das ist ja schön, dass die sich mit dem Thema beschäftigen. Aber es wäre besser gewesen, so ein Thema zunächst in den CDU-internen Gremien zu diskutieren. So stößt man alle nur vor den Kopf und schadet seinem eigentlichen Anliegen", sagt CDU-Fraktionschef Günther Nicolai.

Die Zeichen stehen auf Kooperation, nicht auf Konfrontation

Über die Kreisumlage könne auch er sich trefflich aufregen. Besonders über die völlig überzogene Forderung von vier Prozentpunkte mehr Kreisumlage. Doch in der politischen Zusammenarbeit stünden die Zeichen eher auf Kooperation und nicht auf Konfrontation. "Die Kreisfreiheit Norderstedts oder der Kreis Südholstein sind politisch längst vom Tisch", sagt Nicolai.

Thomas Bosse, zurzeit als Erster Stadtrat die Urlaubsvertretung von Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote im Rathaus, begrüßt zwar das politische Engagement der JU, ärgert sich aber über das ausgesendete Signal des Vorstoßes: "So etwas sorgt für böses Blut bei unseren Nachbarn." Die Verwaltungen hätten in den vergangenen Jahren über die Kreisgrenzen hinweg die Kooperation gesucht und gefunden. Beispiele seien das Nordgate, die Bemühung um eine regionale Entwicklungsgesellschaft oder die Zusammenarbeit im Bereich des Tourismus. Wenn finanzschwachen Gemeinden das Geld für lokale Projekte fehle, dann versuche Norderstedt mit Finanzspritzen bewusst zu helfen. "Die haben die schöne Landschaft, wir bauen die Wege. Dafür schleusen die Gemeinden uns dann die Leute auf die Landesgartenschau", sagt Bosse. Aus solchen Kooperationen auf Augenhöhe hole die Stadt etwas heraus. Insofern sei eine "Entsolidarisierung" mit dem Kreis Segeberg kein Thema im Rathaus. "Wir halten eine Erhöhung der Kreisumlage um 1,5 Prozentpunkte für vertretbar. Wenn sich die Stimmen durchsetzen, die eine Erhöhung von vier Prozentpunkten fordern, dann werden wir uns wehren", sagt Bosse.