Die Künstlerin Birgit Bornemann geht mit Vorliebe in unserer Stadt auf Foto-Pirsch

Norderstedt/Hamburg. Was wäre die Kunst ohne ein bisschen Glück? Das Pferd kam zügig, stand lange still und trottete dann wieder ebenso energisch davon. Der Glücksfall auf einer Koppel am Flughafenzaun in Norderstedt dauerte eine Minute. Genauso lang hat Birgit Bornemann im winterlichen Dämmerlicht den Verschluss ihrer Kamera geöffnet und ein surreales Werk mit einer kräftigen Portion Tristesse geschaffen. Technik und Motivauswahl sind Sache der Künstlerin. Dass der Hingucker des Fotos sich so schnell bewegte, dass keine verwischten Spuren zu erkennen sind, aber lange genug stehen blieb, um der tristen Landschaft Leben zu verleihen, hat Birgit Bornemann hingegen dem Pferd zu verdanken - Glückssache eben.

Die Stadt Norderstedt ist ein Glücksfall für die Künstlerin

Die 37 Jahre alte Birgit Bornemann liebt die Pirsch in Norderstedt. Auch die Stadt ist ein Glücksfall für die Fotografin, gerade weil Norderstedt zu den Orten zählt, die arm an spektakulären Motiven sind, über die sich Hobbyknipser so gern hermachen.

"Meine fotografische Inszenierung gilt Absurdem, Gefundenem und Nichtoffensichtlichem, welche flüchtige Momente und verwehte Orte auf Film und Papier sichtbar werden lässt", sagt die Fotografin und verrät dabei, dass sie auch das "Makabere" liebt. In den Norderstedt hat sie einem Garten eine Schar aufgescheuchter Gänse entdeckt, die scheinbar in Panik in Richtung Bildrand fliehen. Der Vordergrund zeigt einen Holzklotz. Darin steckt griffbereit eine Axt.

"Norderstedtisch" nennt die gebürtige Heidelbergerin ihre jüngste Serie mit zehn Motiven aus der Stadt, die bis zum 12. September im Landesmuseum Schloss Gottorf in Schleswig zu sehen sind. Die Ausstellung mit den Werken mehrerer Künstler in einem Kunstparcours trägt den Titel "Verwehte Orte". Eine Schau ohne Spektakel. "Verwehte Orte" müssen entdeckt werden. Was könnte besser zum Konzept von Birgit Bornemann passen?

Erst seit einem Jahr nennt sich Bornemann "freischaffende Künstlerin"

Die stille Frau mit der Kamera gehört trotz ihres Alters von 37 Jahren zu den Neulingen der Szene. Erst seit 2009 nennt sie sich "freischaffende Künstlerin". Gerade erst hat sie gemeinsam mit der Norderstedter Künstlerin Claudia Rüdiger ihr Atelier in einem 60er-Jahre-Geschäftshaus zwischen orientalischen Autohändlern und Imbissbuden am Ausschläger Weg in Hamburg eröffnet. "Verwehte Orte" ist die bislang wichtigste Ausstellung ihrer Laufbahn.

Dabei beschäftigt sich Bornemann schon seit Jahren mit der Kunst. Von 1993 bis 1999 hat sie Freie Kunst mit den Schwerpunkten Bildhauerei, Film und Fotografie an der Kunstakademie in Düsseldorf studiert. In den Jahren danach hat sie viel mit Kleinbild- und Mittelformatkamera gearbeitet, ist der analogen Technik treu geblieben, konnte jedoch in all den Jahren nie von ihrer Kunst leben. "Ich habe mich mit Ausstellungen sehr zurückgehalten", sagt die Künstlerin.

Sie schlug sich mit einem Nebenjob durchs Leben, entdeckte mit der Kamera die Stadt und arbeitete in der Norderstedter Fotowerkstatt.

Immer wieder in den Sucher gerät der Fotografin das Potenberg-Gelände

Immer wieder in den Sucher gerät dabei das Potenberg-Gelände in Norderstedt. "Wir beobachten den Umbau vom Kalksandstein- und Kulturwerk seit dem Jahr 2008", sagt Birgit Bornemann.

Noch ist das Projekt nicht abgeschlossen, doch die ersten Fotos wecken Erwartungen auf eine spannende Ausstellung. Birgit Bornemann entdeckt im Chaos der Industrieruine Linien von Mauerresten und Gebäudeteilen, die sie so geschickt einfängt, dass eine überraschende Ordnung entsteht.

Außerdem gibt Birgit Bornemann mit ihren Fotografien Rätsel auf und lädt damit den Betrachtern ein, mit den Augen selbst auf die Pirsch zu gehen. Ein überdimensionaler Seeigel im Aquarium? Nein, eine Bürste im Dreck, die die Künstlerin in den Trümmern des Potenbergwerk entdeckt und mit liebevoller Sorgfalt fotografiert hat. Im kommenden Jahr im Frühsommer wollen Birgit Bornemann und die anderen Mitglieder der Fotowerkstatt ihre Arbeiten ausstellen.

Die Pirsch der Fotografin kann schon mal mehrere Stunden dauern, wenn sie sich nicht gerade für ein bestimmtes Licht entschieden hat. "Norderstedtisch" ist mit einer Mittelformatkamera weitgehend in der kurzen Phase der Dämmerung entstanden.

Die Digitalfotografie lehnt die Nordertedterin strikt ab

Bislang hat Birgit Bornemann mit Film und Papier gearbeitet. Digitalfotografie lehnt sie nicht grundsätzlich ab, schätzt aber die Arbeit mit den Händen an ihrem Kunstwerk und den Einfluss, den der Künstler im Labor auf seine Bilder nehmen kann. "Extrem scharf und zu perfekt", sagt Birgit Bornemann über Digitalfotos.

Ihr nächstes Projekt heißt "TRäume" und soll ebenfalls in Schleswig gezeigt werden. "TRäume" wird als Fotoprojektion mit Klängen konzipiert und entsteht in Zusammenarbeit mit einer Kollegin. Birgit Bornemann verspricht einen "bizarren Geistertraum". Die Motivsuche hat bereits begonnen, diesmal allerdings in Hamburg.

www.birgit-bornemann.de