Netzbetreiber TenneT möchte Großprojekt an der A 7 bauen. Kaltenkirchens Bürgermeister Hanno Krause fühlt sich dadurch überfahren.

Kaltenkirchen. Der begehrte Flecken Erde befindet sich westlich der Autobahn 7 - auf den Hoheitsgebieten von Kaltenkirchen und Alveslohe. Er dient ein wenig der Landwirtschaft, soll aber größtenteils ein schützenswertes Stück Naturidylle bleiben. Eigentlich. Denn die 26,7 Hektar große Fläche mit der amtlichen Bezeichnung "315" spielt momentan in den politischen Diskursen der beiden Nachbargemeinden eine zentrale Rolle und erweist sich darüber hinaus auch finanziell als wertvoll für die Eigner.

Während der vergangenen Einwohnerfragestunde entwickelte sich in der Kaltenkirchener Stadtvertretersitzung eine intensive Debatte. Seit bei einer Gemeindeversammlung in Alveslohe ein vom Netzbetreiber TenneT geplantes neues Umspannwerk auf eben jenem Areal "315" - in Alveslohe auch als Flurgebiet "Römer" bekannt - eher zufällig erwähnt wurde, sind die Kaltenkirchener aufgeschreckt. Erst recht, weil jenes Großprojekt auch im bundesweit veröffentlichten Netzentwicklungsplan - einem mehrere Hundert Seiten dicken Strategiepapier über die benötigte Infrastruktur für die Energiewende - auf einer Grafik verzeichnet wurde.

Regelmäßig ist Kaltenkirchens Bürgermeister Hanno Krause im Dialog mit dem Netzbetreiber TenneT, der eine neue 380 000-Volt-Stromtrasse in der Region bauen will. Doch von einem Umspannwerk war bisher nie die Rede. "Ich fühle mich überfahren. Ich erwarte, dass die Fachplaner alle Fakten sofort auf den Tisch legen", so Verwaltungschef Krause. "Es ist keine gute Art, in einer so wichtigen Sache auf diese Weise zusammenzuarbeiten."

Pikant ist, dass sein kommissarischer Vorgänger, der Erste Stadtrat Karl-Heinz Richter, in seiner Amtszeit 2011 bereits Gespräche mit TenneT geführt hatte über die Machbarkeit und mögliche Flächen für dieses Bauvorhaben. "Es ist richtig, dass TenneT uns angesprochen hat in meiner Amtszeit. Wir haben uns dann einige Gebiete ausgeguckt", sagte er. Neben Moorkaten und Flächen an der Schirnau eben auch den besagten Bereich westlich der A 7. Was Richter erst auf Nachfrage eines Bürgers einräumte: Das Areal gehört nicht nur der Stadt sowie einem Landwirt, sondern auch zum Teil seiner Ehefrau. Richter beteuerte allerdings, dass zu keinem Zeitpunkt ein Interessenskonflikt geherrscht habe. "Weder als Ehemann der Grundstückseigentümerin noch als Bürgermeister habe ich über Kaufpreise verhandelt." Zudem seien die Gespräche mit TenneT irgendwann "eingeschlafen".

Kaltenkirchen fühlt sich vor vollendete Tatsachen gestellt

Öffentlich bekannt wurden diese Vorgänge allerdings erst jetzt. Dabei drängt die Zeit. Lediglich bis Dienstag, 10. Juli, 23.59 Uhr, ist es Bürgerinnen und Bürgern sowie auch Kommunalpolitikern möglich, sich über die Internetseite www.netzentwicklungsplan.de zum Netzentwicklungsplan zu äußern. Der Unmut wächst in Kaltenkirchen; man fühlt sich vor vollendete Tatsachen gestellt, was auch die lange Einwohnerfragestunde veranschaulichte. Das Umspannwerk könnte eine Fläche von bis zu 16 Hektar einnehmen. Ein Verkauf der städtischen Gebiete würde einige Millionen Euro in die Gemeindekasse spülen, ist aber für Kaltenkirchens Bürgermeister Hanno Krause keine Option. "Ich bin dagegen, weil ich zusätzliche Auswirkungen für die Stadt befürchte durch weitere Trassen, die ich hier nicht haben möchte."

Es wird befürchtet, dass ein Umspannwerk nur der Beginn von weiteren Maßnahmen wäre, die aus Kaltenkirchen einen Knotenpunkt machen. Ein Szenario wäre beispielsweise, dass weitere Leitungen - sogenannte Querspangen - aus Itzehoe oder Lübeck sich an der A 7 treffen. Für die Bürger ist dies eine unbehagliche Vorstellung - Baulärm, erhöhte elektromagnetische Strahlung und generell ein Eingriff in die Natur mit Biotopen und der Krückauniederung sprächen gegen das Umspannwerk. Zudem sieht der Flächennutzungsplan explizit eine künftige Ausweisung der Fläche als Landschaftsschutzgebiet vor.

Der Projektleiter von TenneT soll Transparenz schaffen

Am 2. Juli wird sich eine öffentliche Sondersitzung des Bau- und Umweltausschusses (18 Uhr, Ratssaal) mit der Thematik befassen. Klaus Deitermann, Projektleiter von TenneT in Kaltenkirchen, soll dann die Auswirkungen des Netzentwicklungsplans für die Stadt erläutern und generell Transparenz schaffen. Die Debatte wird auch den Punkt betreffen, ob ein Umspannwerk ausschließlich auf der von TenneT genannten Fläche errichtet werden könne. Rainer Bundschuh, Vorsitzender der Wählergemeinschaft Pro-Kaki und einer der engagiertesten Kaltenkirchener im Diskurs um die geplante Stromtrasse und alle damit verbundenen Vorhaben, bringt die vorherrschende Stimmung auf den Punkt: "Man kann TenneT nicht mehr voll vertrauen."

Einstimmig lehnte die Stadtvertretung derweil die Alvesloher Pläne ab, im "Römer" östlich des Brunskamps vier Windkraftanlagen errichten zu wollen. "Wir haben uns übergangen gefühlt", sagte Krause. Die Gründe für die Absage sind dieselben wie in der Frage des Umspannwerks. Weil darüber hinaus auch die 380-kV-Leitung dieses Areal durchqueren soll, sei die für derartige Windparks benötigte Mindestgröße von 20 Hektar generell nicht mehr gegeben. Es wird nun ein neues Beteiligungsverfahren - ausdrücklich unter Einbeziehung Kaltenkirchens - geben.