25 Infotafeln im Wald informieren Jogger und Spaziergänger über Erste-Hilfe-Telefonnummern. Patenschaften für Rettungpunkte.

Norderstedt. "Wenn was passiert, muss man 112 wählen." Finn, 4, kann zwar noch nicht lesen, aber er weiß schon genau, wie Joggern, Walkern oder Spaziergängern bei einem Notfall im Wald schnell geholfen werden kann. Er und seine Spielkameraden vom städtischen Waldkindergarten am Storchengang haben Patenschaften für ein Projekt übernommen, das in deutschen Wäldern einzigartig ist: 25 Rettungspunkte stehen im Rantzauer Forst.

Die Schilder an den Holzpfählen informieren, was bei einem Notfall zu tun ist. So sollten alle, die Hilfe brauchen und vom Handy aus über 112 die Rettungsleitstelle alarmieren, in jedem Fall die Nummer des jeweiligen Notfallpunktes angeben - in der Leitstelle ist ein Plan hinterlegt, so dass die Einsatzkräfte sofort erkennen können, wohin die Rettungskräfte fahren müssen. "So müssen sie nichtlange suchen und schaffen es locker, innerhalb der vorgeschriebenen Frist von zwölf Minuten am Einsatzort zu sein", sagt Michael Vollmer vom Norderstedter Rettungs- und Hilfsdienst KBA, der das in deutschen Wäldern einmalige Projekt unterstützt.

Eine Joggerin überlebte einen Infarkt nur, weil eine Ärztin mitlief

Wenn ein Läufer mit einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zusammenbricht, geht es um Sekunden. So wie vor viereinhalb Jahren. "Damals erlitt eine Joggerin einen Herzinfarkt. Sie überlebte nur, weil in der Laufgruppe eine Ärztin war,", sagt Manfred Ritzek. Der ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete, Vorsitzende des Fördervereins für Sport und Jugend in Norderstedt und Jogger, hatte das Notfall-Netz initiiert. Gestern zogen die Träger des Projektes nach zweieinhalb Jahren Bilanz.

Und die fiel positiv aus: "Die Pfähle mit den Schildern werden nicht mutwillig zerstört. Es kommt mal vor, dass ein Stamm morsch oder umgekippt ist. Dann wird er aber schnell ersetzt", sagte Ritzek der sich über die großer Akzeptanz bei den Bürgern freut. "Bei uns haben sich viel gemeldet, die die Rettungspunkte toll finden", sagte Vollmer. Die hätten sich auch schon bewährt, wie die Anrufe in der Leitstelle belegten. Allerdings werde keine Statistik geführt, sodass sich nicht ermitteln lässt um welche Verletzungen es sich handelte.

Vollmer geht aber davon aus, dass niemand den Notruf wählt, weil er umgeknickt ist. "Dann humpelt man nach Hause oder läst sich abholen." Das hat Claus Witt auch schon erlebt. Der 76-jährige ehemalige Judotrainer läuft ein- bis zweimal pro Woche durch den Forst, auch im Winter, auch wenn es dunkel ist. "Ich kenne hier jede Ecke und bin trotzdem mal über eine Baumwurzel gestolpert und umgeknickt", sagt der Jogger. Da könne auch Schlimmeres passieren. "Deswegen ist diese Initiative begrüßens- und nachahmenswert", sagt der Rentner. Er habe sich schon oft gefragt, wie er bei einem Unfall seinen Standpunkt im Wald beschreiben soll.

+++ Verantwortung auf viele verteilt +++

Das funktioniert mit den Rettungspunkten problemlos. "Ereignet sich der Notfall zwischen zwei Punkten, kann der Verletzte einen anderen zur nächsten Biegung schicken, um die Koordinaten durchzugeben", sagte Vollmer. Einen Helfer zu finden, sie nicht schwer. Denn im Wald sei immer was los. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend nutzten Jogger, Walker und Hundebesitzer den Forst, um sich in der Natur zu entspannen und die Fitness zu stärken.

Nun wird die Erfolgsgeschichte fortgesetzt: Neun Rettungspunkte sollen weiter südlich im Waldgebiet Syltkuhlen/Harthagen installiert werden. Der Bereich ist deutlich kleiner als das Pioniergebiet beiderseits der Waldstraße. Wieder sind die Initiatoren im Boot, die schon bei der Premiere der Rettungspunkte dabei waren: neben Ritzek und dem KBA das Technische Hilfswerk Norderstedt und die Stiftung Hamburger Wanderer, Natur- und Heimatfreunde. In wenigen Wochen sollen die neuen Rettungspunkte eingeweiht werden. Im Visier haben die Initiatoren auch schon ein weiteres beliebtes Naherholungsgebiet der Norderstedter: den Tangstedter Forst östlich der Schleswig-Hostein-Straße.

Viele Bürger haben Patenschaften für die Rettungspunkte übernommen

Ritzek geht davon aus, dass auch bei den neuen Rettungspunkten das Prinzip der Paten greifen wird. Der Initiator selbst ist für vier Punkte zuständig. Auch Jugendliche und ihre Eltern und weitere Bürger fühlen sich verantwortlich dafür, dass die Hilfe untereinander klappt. "Auch unsere Kinder lernen früh, Verantwortung zu übernehmen", sagt Dirk Steffens, der zusammen mit einer Kollegin die Kinder des Waldkindergartens betreut. Die Jungen und Mädchen sind zuständig für drei Rettungspunkte, die die 14-köpfige Integrationsgruppe, zu der auch zwei behinderte Kinder gehören, etwa einmal im Monat ansteuert.

Doch die Waldkinder bleiben nicht nur in ihrem Stammgebiet hinter dem Waldfriedhof in Friedrichsgabe. "Das wäre auf die Dauer langweilig. Wir sind im gesamten Forst unterwegs und kommen dabei auch an den anderen Notfall-Punkten vorbei", sagt Steffens, der sofort mitgemacht hat, als Paten gesucht wurden. Denn auch die Kinder oder die Betreuer könnten in die Lage kommen, dass sie Hilfe brauchen. Die Rettungspunkte vermittelten ein Gefühl der Sicherheit - ein Aspekt, der auch Ritzek wichtig ist: "Es geht ja nicht nur um die schnelle Hilfe im konkreten Fall, sondern auch darum, dass alle, die im Wald unterwegs sind, ihren Hobbys ruhig und entspannt nachgehen können und wissen: Im Notfall kommt Hilfe."