Einer 260 Jahre alten Reetdachkate droht das Aus, weil die Besitzerin das Pflegeheim nicht bezahlen kann. Hilfe wird dringend benötigt.

Struvenhütten. "Hallo, altes Haus! Wie geht's?" Das war vor genau 30 Jahren der Titel einer Serie in unserer Zeitung. Unter der Überschrift "Zufriedenheit herrscht in dem alten Bauernhaus" berichtete Autor Rudolf Gehling am 5. Februar 1982 über eine Reetdachkate am Ortseingang von Struvenhütten und über das zufriedene und beschauliche Leben des ehemaligen Schäfers Walter Bestmann und seiner Frau Anna. Das alte Haus, erbaut 1750 und in Etappen bis 1850 aus- und weitergebaut, steht noch an der Hauptstraße, aber es ist bedroht: "Altes Haus, was nun?" Von Zufriedenheit und "Schäfersruh", wie Rudolf Gehling damals schrieb, gibt es derzeit keine Spur.

Nach einem Sturz kam Anna Bestmann nicht mehr richtig auf die Beine

Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein: Die Möbel im Wohnzimmer, die alte Truhe im Flur (1750 gebaut), die über 100 Jahre alten christlichen Bücher darin, die beschauliche Küche mit dem alten Feuerherd - alles sieht noch so aus, wie vor 30 Jahren, als Rudolf Gehling die Fotos für seine Serie machte. Das evangelische Hauspredigtbuch wurde 1896 anlässlich der Hochzeit von Heinrich und Bertha Bestmann, geborene Gläser, den Eltern von Walter Bestmann, angeschafft.

Aber jetzt wohnt keine Menschenseele mehr in dem Gebäude. Walter Bestmann ist 1984 im Alter von 79 Jahren verstorben, seine Witwe Anna, die einst aus der Forst Lausitz im Landjugendaustausch nach Schleswig-Holstein gekommen war, lebt seit fünf Jahren hochbetagt in einem Kaltenkirchener Pflegeheim. Nach einem Sturz im Haus kam sie nicht wieder richtig auf die Beine. Seitdem steht das Haus leer und wäre vermutlich verfallen, wenn es sich nicht Angelika Ekwuruibe aus Kaltenkirchen zur Lebensaufgabe gemacht hätte, die Reetdachkate mit dem kleinen Schafstall über die Zeit zu retten.

Viele Kinder wurden im Laufe von zwei Jahrhunderten in dem Haus geboren. Alleine Walter Bestmann hatte acht Geschwister, die alle hier aufwuchsen. Aber für das letzte Ehepaar in diesem Haus, Anna und Walter, blieb der Wunsch nach Kindern unerfüllt. Verwandte gibt es nicht mehr, nur das ehemalige Nachbarskind Angelika ist noch da. "Tante Anna war wie eine zweite Mutter für mich", erinnert sich Angelika Ekwuruibe. "Ich bin praktisch jeden Tag in diesem Haus gewesen."

Sie hat das Haus im Winter beheizt, um das Einfrieren der Leitungen zu verhindern, sie pflegt den Garten so gut es geht und ihre eigenen finanziellen Mittel es gestatten. Eine moderne Heizung gibt es in dem alten Haus übrigens bis heute nicht. Für alle Handlungen und Verhandlungen hat Angelika Ekwuruibe eine Generalvollmacht von Anna Bestmann erhalten.

+++ Feinstes Fachwerk von 1875 im Niendorfer Gehege +++

Sie ist die letzte Bezugsperson für Anna Bestmann zur realen Welt. Und als solche tut es ihr im Herzen weh, was jetzt mit dem alten Haus geschehen könnte. Denn von ihrer kargen Rente alleine kann Anna Bestmann ihren Aufenthalt im Pflegeheim nicht bezahlen. Also mussten im Laufe der fünf Jahre Koppeln verkauft werden, um genügend Geld zu haben. Die Koppeln sind weg, aber die Pflegeheimgebühren laufen weiter. Ein Jahr etwa reicht das Geld noch, dann müsste als nächstes das Haus verkauft werden. Aber genau das will Angelika Ekwuruibe auf keinen Fall - und Anna Bestmann, die zwar nahezu blind und taub, aber geistig noch rege ist, natürlich ebenfalls nicht.

Weil das Grundstück in bester Ortsrandlage liegt, könnte es leicht passieren, dass ein Grundstücksspekulant Platz schaffen möchte für einen lukrativen Neubau. Einen Vorgeschmack, was mit Haus und Grundstück passieren könnte, haben Anna Bestmann und Angelika Ekwuruibe bereits bekommen. Im wahrsten Sinne des Wortes bei Nacht und Nebel hat ein Bauherr wertvollen Baumbestand und eine Rhododendron-Hecke weggerissen, um Platz für eine Zufahrt zu schaffen. Denn auf einer ehemaligen Weide, direkt schräg hinter dem alten Haus und dem Schafstall, soll ein Mehrfamilienhaus errichtet werden. Angelika Ekwuruibe wollte es ganz genau wissen und beauftragte einen Grundstücksvermesser, der schnell feststellte, dass hier tatsächlich Bäume und Büsche vom Bestmannschen Grundstück ohne Genehmigung gerodet wurden. Sie erstattete Anzeige gegen den Bauherren.

Anna Bestmann weiß noch nichts von dem "Grünmassaker" auf ihrem Grundstück. Und Angelika Ekwuruibe traut sich derzeit auch noch nicht, es ihr zu erzählen. "Das würde ihr mit Sicherheit einen schweren Schock versetzen." Ihr graut schon vor dem Tag, an dem Frau Bestmann mal wieder ihr Haus besuchen will. Das wird wahrscheinlich der Fall sein, wenn es rund um das Haus grünt und blüht.

Die Gemeinde Struvenhütten hat bis jetzt nicht reagiert

Die Untere Denkmalschutzbehörde des Kreises Segeberg kann vermutlich nicht helfen, das Haus zu retten. Dort ist es als "einfaches Kulturdenkmal" eingetragen. Das ist zwar schon etwas, reicht aber nicht, um im Ernstfall einen Abriss zu verhindern. Die Gemeinde Struvenhütten, an die sich Angelika Ekwuruibe ebenfalls gewandt hat, reagierte bis jetzt nicht. Dabei hat das Bestmannsche Haus als ortsprägendes Gebäude einen großen Stellenwert im Dorf. In der Ortschronik hat es einen gebührenden Platz gefunden.

Was jetzt, altes Haus? Angelika Ekwuruibe hofft, dass es eine Lösung gibt und das Haus erhalten werden kann. Nur welche Lösung es sein könnte, weiß sie nicht. "Frau Bestmann ist darauf angewiesen, dass ihr jemand hilft, sonst ist das Haus weg."