Schädlinge bedrohen Leezens fast 400 Jahre alten Glockenturm . Er muss für Hunderttausende Euro saniert werden

Leezen. Wer den stummelig wirkenden Glockenturm der Leezener Kirche betrachtet, wird niemals ahnen, wie er von innen aussieht. Das Bauwerk dürfte weit und breit einmalig sein: So viele Stützen, Versteifungen, Verstrebungen und Verankerungen aus mächtigem Eichenholz sind wirklich nicht normal. "Bei Betonbauten würde man von ,Angsteisen' sprechen", sagt der Segeberger Architekt Achim Kölbel über dieses Wirrwarr aus Sicherheitshölzern. Die Bauherren des Turmes - er soll um 1640 gebaut worden sein - müssen tatsächlich eine geradezu panische Angst vor Sturm gehabt haben, davor, dass er den schönen Turm umpusten könnte.

Dabei muss der etwa 20 Meter hohe Bau nicht den Sturm fürchten, sondern vielmehr Holz fressende Schädlinge. Die drohen dem "für die Ewigkeit" gebauten Turm die Standfestigkeit zu rauben. Deshalb müssen demnächst Fachleute ran und viele Teile, die sich förmlich in Luft aufgelöst haben, durch neue ersetzen. Die Kosten werden im sechsstelligen Bereich liegen, schätzt Kölbel. Er zeigte jetzt der Hausherrin, Pastorin Anett Penner, wo der Turm seine Basis, seine Bodenhaftung, zu verlieren droht.

In einigen Bereichen haben sich nämlich die Schwellhölzer förmlich pulverisiert. Was ewig zu halten schien, ist verrottet. Ist die eigentliche Kirche, die 1870 umgebaut wurde, noch in guter Verfassung, so ist der 230 Jahre ältere Originalturm in schlechtem Zustand. Grund: Vor allem die Fundamentbalken sind nicht korrekt auf Findlinge aufgesetzt, sondern mit Erde angeschüttet worden - mit fatalen Folgen. Kölbel: "Erst setzte sich die Feuchtigkeit im Holz fest, dann folgten Pilze und andere Holzschädlinge."

Der Architekt zeigt auf Schwellhölzer, die früher 40 Zentimeter stark gewesen sein mögen. Jetzt sind sie teils nur noch zehn bröselige Zentimeter dick, zudem fehlen Verbindungen untereinander. Einige hängen gar in der Luft. Die frühere Stabilität ist futsch. Durch das 1870 um ihn herum gebaute Mauerwerk hat der Turm nie an Stabilität gewonnen. Denn die Steine berühren oder stützen die Hölzer gar nicht - sie sind lediglich eine optische Verkleidung, wie Kölbel erklärt. Die befallenen Holzteile müssen ausgetauscht und auf Findlinge - fern der Bodenfeuchte - gesetzt werden, erklärt er.

Die Arbeiten werden "bereichsweise" vorgenommen und die Last vorübergehend auf Behelfsstützen verlagert. "Das geht schon", ist Kölbel zuversichtlich. "Die vielen Verstrebungen kommen uns jetzt zugute." Immerhin etwas. "Sie sorgen dafür, dass der Turm jetzt noch steht, obwohl er sehr schadhaft ist." Das habe den Vorteil, dass es keinerlei Zeitdruck für eine überstürzte Sanierung gebe.

Zunächst ist es Kölbels Job, die Kosten möglichst zu schätzen. Billig wird das nicht, da lässt er keinen Zweifel aufkommen. Dann sollen Fördergelder eingeworben werden. An den Kosten wird sich vermutlich der Kirchenkreis beteiligen, der Denkmalschutz wohl auch. "Und die Kirchengemeinde Leezen wird auf dem Löwenteil sitzen bleiben", orakelt Pastorin Anett Penner. Sie wird sicher bei ihren "Schäfchen" um finanzielle Hilfe bitten.

Das ist aber noch nicht alles. Unterm Dach des Kirchenschiffes sind auch kleinere Reparaturen vorzunehmen. "Und die Elektroinstallation muss überprüft werden", betont Kölbel. Schon wegen der Brandgefahr. Außerdem müsse der Dachboden mal gründlich gereinigt und von Schutt befreit werden.

Wenigstens schlägt die Uhr im kleinen Extra-Türmchen zuverlässig - ferngesteuert, wie die drei großen Glocken. Apropos: Die drei Glocken hängen zwar stabil. Die von ihnen ausgelösten Vibrationen bereiten keine Probleme. "Allerdings muss der Klöppel der Vater-unser-Glocke anders gesichert werden", sagt Anett Penner. Nicht akut, aber auf Sicht. "Bis zu den Konfirmationen dürfen wir sie noch gefahrlos nutzen", hätten ihr die Fachleute versichert.

Danach soll der Klöppel korrekt fixiert werden. Bei dieser Gelegenheit wird gleich die gesamte Mechanik überprüft und eventuell erneuert. Dazu muss die Vater-unser-Glocke - sie läutet stets, wenn dieses Gebet im Gottesdienst gesprochen wird - aus ihrer Verankerung gehoben werden. Sie kann aber während der Arbeiten im Turm verbleiben. Dass die Arbeiten rasch und ohne Verstummen der Glocken ausgeführt werden, ist Pastorin Penner wichtig, denn: "Die Leute hängen am Geläut."

Schon im 13. Jahrhundert soll es eine Kirche in Leezen gegeben haben. Die bestehende wurde 1870 gebaut, nachdem der Vorgängerbau aus Feldsteinen - um 1640 gebaut - wegen Baufälligkeit abgerissen worden war. Nur der Turm stammt noch von der Vorgängerkirche. Die heutige Backsteinkirche enthält gotische Stilelemente, zum Beispiel die Spitzbögen der Fenster. Der älteste sakrale Gegenstand der Kirche ist die Kreuzigungsgruppe aus dem 15. Jahrhundert. Sie stellt den gekreuzigten Jesus, Maria und den Jünger Johannes dar. Eine Besonderheit ist der Taufengel über dem Taufstein. Er wurde von etwa 1755 bis in die 1920er-Jahre anstatt eines Taufsteins zur Taufe genutzt.