115 Kinder hatten Tunnel unter der Poppenbütteler Straße mit einer farbenfrohen Unterwasserwelt verziert. Das Kunstwerk ist zerstört.

Norderstedt. "Die Kinder sind frustriert und enttäuscht. Sie haben sich viel Mühe gegeben, und nun wird ihre Arbeit so verschandelt und herabgewürdigt", sagt Ursula Luther, Leiterin der Grundschule Glashütte-Süd, beim Blick auf die Tunnelwände. 115 Jungen und Mädchen hatten die dunklen Steinwände des Tunnels, der unter der Poppenbütteler Straße hindurch führt, bunt bemalt. Doch wo sich einst große Fische mit schillernden Schuppen oder kleine blaue Kraken tummelten, prangen nun die tags, die Kürzel, von Graffiti-Sprayern. Sie haben die Kinderkunst einfach übersprüht.

Große hellblaue Buchstaben, eingefasst mit schwarzem und weißem Rand, tanzen auf den Schuppen eines großen Fisches, von dem nur noch die gelbe Schwanzflosse zu sehen ist. laue Entstanden ist das Kunstprojekt unter der Erde als Beitrag zur Schulwegsicherung in Norderstedt. Der Tunnel, durch den viele der Glashütter Grundschüler jeden Tag vom Wohngebiet rund um die Mittelstraße zur Schule auf der anderen Seite der Poppenbütteler Straße und zurück gehen, war dunkel und verschmutzt. "Da hat die Stadt angefragt, ob wir die Wände bemalen und damit heller und freundlicher gestalten wollen. Das Material wird uns zur Verfügung gestellt", sagt die Schulleiterin. Die Idee traf auf Zustimmung von Lehrern, Eltern und Schülern. Allerdings mussten die die schmutzig-grauen Wände zunächst vorbereitet werden. Das übernahmen städtische Mitarbeiter, die die Flächen mit einem weißen Untergrund versahen.

+++ Werke von Oldie-Sprayer "Oz" werden versteigert +++

Die ursprüngliche Idee war, die Wände mit Kindern und Verkehrszeichen zu bemalen, um auch unter Tage auf die Gefahren und das richtige Verhalten im Verkehr hinzuweisen. "Doch es fällt vor allem den jüngeren Grundschülern noch schwer, Menschen zu malen. So haben wir uns für eine Unterwasserwelt entschieden, schließlich liegt der Tunnel ja auch unter der Erde", sagt Ursula Luther.

Jede Klasse durfte ein Stück auf den beiden, rund acht Meter langen Wänden bemalen, die Kleineren unten, für die Größeren wurden extra Tische in den Tunnel geschleppt, damit sie bis nahe an die Tunneldecke malen konnten. Gleich nach den Sommerferien im vergangenen Jahr hatten die Jungen und Mädchen zu den Pinseln gegriffen. Anschließend hatten Mitarbeiter des städtischen Betriebsamtes die Fläche versiegelt und damit die Motive dagegen geschützt, dass sie überschmiert werden.

Allerdings reicht die Versiegelung nur bis zur Malgrenze, die Aufgänge blieben ungeschützt. "Sie wurden als erste besprüht, und jetzt ist auch von den Bildern der Kinder nicht mehr viel zu sehen", sagt die Pädagogin, die überhaupt kein Verständnis für die Verschandelung hat. Das Unterwasserleben sei wirklich sehr schön geworden, die kleinen Künstler hätten sogar Lob von vielen Passanten bekommen. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass jemand mutwillig zerstört, was andere mit Mühe produziert haben. Damit bekomme das für das Lernen insgesamt so wichtige Prinzip, wonach sich Mühe lohnt, einen empfindlichen Dämpfer. Nun warten Kinder, Lehrer und Eltern darauf, dass die Stadt ihr Versprechen einlöst und die Sprayer-Kürzel wieder entfernt. Auf Dauer sei das allerdings keine Lösung, hat die Schulleiterin erfahren. Die Schmierereien könnten nicht unbegrenzt häufig entfernt werden, irgendwann sei die Schutzschicht weg, die Bilder selbst würden beim Säubern angegriffen.

Andererseits sei das Übersprühen kaum zu verhindern. Denn schließen könne man den Tunnel nicht, er sei eine wichtige Verbindung. "Da kann ich nur hoffen und an alle Sprayer appellieren, unsere Fische, Muscheln und Kraken in Ruhe zu lassen, damit sie auf Dauer ungestört überleben können", sagt Ursula Luther.

"Was hier passiert ist, ist ärgerlich und bedauerlich für die Kinder. Aber sonst spielen Graffiti-Schmierereien in der Stadt keine große Rolle", sagt Hauke Borchardt, Sprecher der Norderstedter Verwaltung. Natürlich gebe es immer wieder Einzelfälle, aber längst sei Norderstedt keine Graffiti-Hochburg mehr. Das war Mitte der 90er-Jahre noch ganz anders.

Damals hatten Stadtwerke, die Verkehrsgesellschaft Norderstedt und die Wohnungsbaugesellschaften sogar eine Belohnung in Höhe von 3000 Mark für jeden überführten Sprayer ausgesetzt, die Polizei hatte außerdem eine Sonderermittlungsgruppe gebildet. "Die ist inzwischen aufgelöst.

Aus unserer Sicht ist das Sprühen in Norderstedt kein großes Problem mehr", sagt Segebergs Polizeisprecherin Sandra Rüder.