Was ein Baum ist, weiß jedes Kind. Und kann den Baum sogar malen in allen Farben von Braun bis Grün. Was aber ist ein "Raumübergreifendes Großgrün"? Das ist, man mag es kaum glauben, auch ein Baum. Im Amtsdeutsch der Straßenverkehrsämter heißt Baum "Raumübergreifendes Großgrün". Damit man bloß alles genau ausdrückt und einen Baum vom Busch unterscheiden kann.

Solche Wortungeheuer gibt es überall. "Personenvereinzelungsanlage" hat 27 Buchstaben und sagt doch nicht mehr als Drehkreuz. In solchen Ungetümen aus Buchstaben findet sich kaum ein Mensch zurecht, manchmal nicht mal die Behörden selbst. Dabei kann Sprache so schön sein.

Baum ist einfach ein schönes Wort und sagt alles. Liebe ist ein schönes Wort und muss nicht "Beziehung" heißen. Auch Freundschaft klingt warm und soll nicht ersetzt werden durch "Lebensabschnittsgefährte". Die Gefühle dürfen nicht aus den Wörtern verschwinden, sonst verschwinden die Gefühle bald auch aus den Menschen. Die Sprache ist das Persönlichste, was ich habe. Ein Gruß, gerne auch mit der Hand geschrieben, ist unersetzbar. Solche Karten oder Grüße hebt man jahrelang auf, schaut sie immer wieder an, erfreut sich an ihnen.

Nein, meine Sprache lasse ich mir nicht nehmen. Ich will keine vorgedruckten Karten, auf die ich nur noch meinen Namen setzen muss. Wenn ich mein Beileid ausdrücke, will ich das mit meinen Worten tun. Wenn ich gratuliere oder sonst einen Gruß verschicke, schreibe ich ein paar eigene Sätze. Wenn jemand krank ist, suche ich selbst ein paar tröstende Worte. Die Worte sollen von mir sein. Worte und Gefühle sind das Persönlichste, was ich habe.

Das zeige ich gerne. Dann fühlt man: Hier schreibt mir ein Mensch. Der lässt sich nicht vertreten durch vorgedruckte Worte. Versteckt sich nicht hinter Maschinen. Wer eigene Worte schreibt, sagt: "Meine Gefühle sind bei dir".

Pastorin Carolin Paap von der Paul-Gerhardt-Kirche in Norderstedt