Eine Glosse von Frank Adrian

Am Nebentisch im kleinen Café plauderten angeregt zwei ältere Damen. Eine der beiden, mit lila Hut auf den akkurat gelegten Dauerwellen, rückte auf dem Stuhl hin und her.

Die andere fragte mit besorgtem Gesichtsausdruck: "Sag mal, hast du immer noch Schmerzen in der Hüfte?" Die Gefragte winkte nur ab. "Frag mich nicht. Wenn ich sitze, strahlt der Schmerz bis ins Bein aus. Der Doktor sagt, ich soll mich mehr bewegen, ein paar Spaziergänge machen. Aber das sagt sich so leicht. Denn dann werden meine Rückenschmerzen wieder schlimmer, trotz der Tabletten."

Die andere nickte verständnisvoll und seufzte: "Ja, ja, irgendwas tut immer weh. Mit meinen Knien wird es auch nicht besser, selbst die Gymnastik hilft nicht mehr. Und meine rechte Schulter verspannt sich von Tag zu Tag mehr, manchmal habe ich gar kein Gefühl mehr im Arm." So ging es weiter. Abwechselnd schilderten sie sich ausführlich ihre Beschwerden von Kopf bis Fuß. Eine anschauliche Anatomie der körperlichen Leiden.

Als ich am Nebentisch aufstand, spürte ich einen ziehenden Schmerz im linken Knie. Von meiner Hüfte zog sich ein taubes Gefühl bis ins linke Bein, das beim ersten Schritt leicht einknickte. Irgendetwas war wohl auch im Rücken verdreht. Und meine rechte Schulter schien völlig verspannt zu sein, als hätte mir jemand einen unsichtbaren Zentnersack daraufgelegt. Wenn man bei manchen Gesprächen länger zuhört, besteht offenbar Ansteckungsgefahr.