200 Menschen kamen zur Premiere des Kino-Gottesdienstes in Norderstedt. Nach dem Film “Gran Torino“ begann die Predigt von Martin Lorenz.

Norderstedt. Tiefe Sessel statt schlichter Holzstühle, rote Wandvorhänge statt sakraler Bilder, ein Hollywood-Film statt der traditionellen Liturgie - vier Norderstedter Pastoren haben am Sonntag die Kirche gegen das Spectrum-Kino getauscht und dort einen Gottesdienst gefeiert. Nicht der Heiland vom Kreuze blickte auf die Besucher herab, sondern Clint Eastwood von der Leinwand. Ein Experiment, das als gelungen gelten kann, wenn man auf die Besucherzahlen blickt: 200 Menschen kamen zur Premiere des Kino-Gottesdienstes, ohne dass eine einzige Glocke geläutet hatte - ein Andrang, von dem die meisten Pastoren an einem durchschnittlichen Sonntag nur träumen können. Drei Viertel der Besucher waren im Konfirmandenalter und feierten den ersten Gottesdienst ihres Lebens, bei dem sie Popcorn aus Pappeimern futtern und Cola trinken durften.

"Gottes Wort ist auch dort, wo man es nicht erwartet", sagte Pastorin Christina Duncker zur Begrüßung. Wie ihre Kollegen Martin Lorenz, Hans-Christoph Plümer und Christian Stehr hatte sie auf den Talar verzichtet. Neben der Leinwand entzündete sie eine Kerze, bevor die Lichter ausgingen und das greise Antlitz von Clint Eastwood auf der Leinwand erschien.

In dem Film "Gran Torino" spielt er einen Samariter und Rassisten zugleich. Ausländer kann er nicht ausstehen, und doch greift er ein, als eine Jugend-Gang die verhassten asiatischen Nachbarn drangsaliert. Zum großen Finale liegt er erschossen am Boden, und ein bisschen Jesus ist doch noch ins Kino gekommen: Kerzengerade ist sein Körper umgefallen, beide Arme hat er rechtwinklig zur Seite gestreckt.

Pastor Lorenz' Predigt besteht aus einem Dialog mit dem Publikum

"Ich glaube, dieser Film gefällt Jesus richtig gut", sagte Martin Lorenz in den Abspann hinein. Seine Predigt bestand aus einem Dialog mit dem Publikum. "Wer findet, dass die Probleme in dem Film übertrieben dargestellt wurden?" Die Hälfte der Anwesenden hält die Hand in die Höhe. "Wer kennt solche Probleme?", fragt der Pastor. "Ich habe so etwas noch nie erlebt", antwortet ein Mädchen. Zwei Jugendliche berichten dann doch von rassistischen Äußerungen in ihrem Umfeld. "Wunderbar, ihr seid gut drauf", ruft der Pastor zum Schluss in den Saal und beendet seine "Predigt" mit einem "Amen".

+++ Spectrum-Kino: Beten mit Popcorn und Cola +++

"Ich bin total zufrieden", sagte Christina Duncker nach dem Gottesdienst und der Kollekte, die am Ausgang eingesammelt wurde. "Viele Besucher sind beseelt aus dem Saal gekommen und wollen eine Wiederholung." Sie habe viele Menschen gesehen, die noch zu keinem ihrer Gottesdienste gekommen seien. Martin Lorenz hat festgestellt, dass der Film die Jugendlichen "erreicht" hat. Eine Einschätzung, die auch Kino-Chef Adriano Antico teilt: "Bei jedem anderen Film gehen mehr Leute aufs Klo, weil sie Langeweile haben." Die üblichen Kleingruppen, die zwischendurch die Vorstellung verlassen, habe er nicht entdecken können. Als Erfolg werten die Pastoren und Antico außerdem, dass die Besucher auch nach dem Ende des Films im Saal geblieben sind, als die "Predigt" von Martin Lorenz begann. Lorenz will die Geschichte und die Botschaft des Films demnächst mit seinen Konfirmanden vertiefen und besprechen.

Die Kosten für den Verleih des Films haben die Kirchengemeinden übernommen. Zum niedrigsten Preis, der möglich ist, sagt Antico. "Glauben sollte im Kino nicht fehlen", sagt er. Der Gottesdienst mit Film gehöre zum neuen Image des Spectrum-Kinos, das er seit knapp zwei Jahren leitet.

Antico geht davon aus, dass in unregelmäßigen Abständen weitere Gottesdienste im Kino folgen werden. "Es gibt eine Weiterentwicklung", verspricht er.