Wie eine junge spanische Bauingenieurin versucht, sich in Deutschland ein Leben aufzubauen, um der Krise in ihrem Heimatland zu entgehen.

Tangstedt. Maria de los Angeles Moral Moral, 26, steht neben einem gigantischen Radlader in der Tangstedter Kiesgrube an der Harksheider Straße. Die junge Frau ist zuversichtlich. Sie hat so viele Hoffnungen in diese Kiesgrube gesetzt. Jetzt scheinen sie sich Schritt für Schritt zu bestätigen. Die bestens ausgebildete Ingenieurin kann den Horror des aussichtslosen Arbeitsmarktes in ihrer Heimat Spanien hinter sich lassen. Denn die Eggers Gruppe in Tangstedt gibt ihr die Chance, in Deutschland Fuß zu fassen. Momentan ist es nur ein Praktikum. Trotzdem: "Für mich ist das eine sehr große Herausforderung. Und ich muss sie gut meistern. Ich will hier arbeiten und leben, ich will das unbedingt schaffen", sagt Maria.

Die Krise in Spanien. Maria de los Angeles Moral Moral ist eine von vielen jungen, gut ausgebildeten Menschen, die die iberische Halbinsel jetzt in Richtung Deutschland verlassen. Fast 23 Prozent oder mehr als 5,3 Millionen Spanier sind ohne Job. Unter den 19- bis 25-Jährigen ist jeder Zweite ohne Job, ohne Aussicht auf ein selbstbestimmtes Leben. Die jungen Spanier sprechen von der verlorenen Generation.

Der Mangel an Fachkräften im Kreis ist nicht prekär - noch nicht

Die Arbeitsmarktsituation im Kreis Segeberg ist für die Ingenieurin Maria de los Angeles Moral Moral dagegen fast paradiesisch. Die Arbeitslosenquote liegt bei gerade mal 5 Prozent. Und was den Firmen hier zu schaffen macht, der demografische Wandel, die zunehmende Überalterung der Einwohner, ist für Maria eine große Chance. Der Fachkräftemangel nimmt Fahrt auf. Noch ist die Lage im Kreis Segeberg nicht prekär. Doch im Bauhaupt- und Bau-Ausbaugewerbe und besonders in der IT-Technik fehlen Ingenieure.

Nach Schätzungen der Industrie- und Handelskammer zu Lübeck fehlen in ganz Deutschland jährlich gut 30 000 Ingenieure, andere Schätzungen gehen von bis zu 90 000 aus. "Wir konzentrieren uns in vielen Programmen auf die Förderung des Nachwuchses in Deutschland. Noch ist uns nicht bekannt, dass Firmen verstärkt ihre Fachkräfte aus dem europäischen Ausland rekrutieren", sagt Cem Özren von der IHK zu Lübeck. Verlässliche Zahlen über die Wanderung der Fachkräfte im grenzenlosen Europa hat er nicht. Auch bei der Handwerkskammer in Lübeck kann Sprecher Ulf Grünke für die Betriebe im südlichen Schleswig-Holstein einen Trend zum Anwerben ausländischer Fachkräfte nicht bestätigen. "Aber wir suchen Hände ringend nach gut ausgebildeten Kräften - in allen Bereichen", sagt Grünke.

"Die Maria, mit der kannst du was anfangen!"

Maria de los Angeles Moral Moral ist also mehr als willkommen in Deutschland. Dass die Ingenieurin bei der Eggers Gruppe eine Chance bekommt, hat sie auch einem alten Hasen des traditionsreichen Tiefbau-Unternehmens zu verdanken. Projektleiter Bernd Leder ist seit mehr als 40 Jahren bei Eggers. Er hatte die Idee, über das "Leonardo da Vinci"-Programm der Europäischen Union die Praktikantin Maria für zwei Monate in den Betrieb zu holen. Seit dem 9. Januar, seit Maria im Betrieb ist, wich Leder nicht von ihrer Seite. "Am Anfang dachten hier alle: Ach, der Leder wieder mit seinen Ideen", sagt der Projektleiter. Mittlerweile seien alle zu der Erkenntnis gekommen, die Leder mit einem handfesten Urteil in Worte fast: "Die Maria, mit der kannst du was anfangen!"

Deswegen hat Ralf Eggers, einer der Geschäftsführer der Eggers-Gruppe, der jungen Spanierin im Anschluss an das europäische Berufsbildungspraktikum ein bezahltes Praktikum der Eggers-Gruppe als Assistentin der Bauleitung angeboten. Auch für die Unterkunft wird das Unternehmen sorgen. "Sie soll beim Ausbau der AKN-Strecke zwischen Bönningstedt und Hasloh mitarbeiten und weitere Erfahrungen sammeln. Und danach sehen wir weiter", sagt Eggers. Der Fleiß, die Energie und der Wille, den Maria des los Angeles Moral Moral bewiesen habe, beeindrucke, sagt Eggers. Außerdem stimme die Chemie und jeder sei sich bewusst, dass in Spanien nur die Arbeitslosigkeit auf Maria wartet. "Wir sind ein menschliches Unternehmen, kein anonymer Konzern. Hier zählt der Mensch - mit seinen Problemen", sagt Eggers.

Maria - so nennen die junge Ingenieurin die Kollegen bei Eggers. Ihren vollen Namen können manche hier kaum aussprechen. Doch der joviale Umgang zeigt auch, dass die Spanierin aufgenommen ist in die Eggers-Familie mit ihren etwa 350 Mitgliedern. Dadurch fällt es ihr leichter, den Verlust ihrer Familie und ihrer Freunde in Spanien zu verschmerzen. "Es war nicht leicht, alles in Spanien zurückzulassen", sagt Maria. Sie stammt aus Jaén, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Nordosten Andalusiens. Die 117 000-Einwohner-Stadt liegt im Tal des Guadalquivir und ist das Zentrum der Olivenöl produzierenden Landwirtschaft in der Region. Maria studierte Bauingenieurswesen in Madrid, machte Aufbaustudien über die Technik bei den erneuerbaren Energien und im Arbeitsschutz. Sie arbeitete beim Bau der U-Bahn in Malaga und für einen französischen Baukonzern. Sie spricht Englisch und Französisch. Doch einen festen Job in der Region brachte ihr all das nicht.

Maria ist pünktlicher als die Deutschen und vermisst die Sonne Spaniens

"Nach Deutschland zu gehen, darüber führte ich schwierige Diskussionen mit meinen Eltern und meinen Freunden. Aber wir sind uns schließlich einig geworden, dass diese Chance sehr gut für mich ist. Ich fühlte mich sehr motiviert und stark genug, um die Herausforderung ein einem fremden Land mit einer fremden Sprache zu schaffen", sagt Maria. Deutschland kannte sie nicht, bis sie im Januar in Hamburg ankam, und sagen konnte sie kaum etwas auf Deutsch. Sechs Wochen später versteht sie fast alles und spricht kurze Sätze. Dreimal die Woche paukt sie die Sprache in einer Hamburger Sprachschule - nach dem Feierabend bei Eggers. Maria: "Unter der Woche komme ich vom Arbeiten, gehe in die Sprachschule, dann nach Hause, so gegen 21.15 Uhr, und dann telefoniere ich mit meinen Eltern und gehe ins Bett", sagt Maria über ihren Alltag. Ihr Zuhause, das ist übrigens ein Zimmer bei einer dänischen Gastfamilie in Eppendorf.

Bernd Leder spricht kein Wort Spanisch, nur wenig Englisch. Aber mit Maria de los Angeles Moral Moral versteht er sich trotzdem blendend. "Mit unserem Evangelium, der deutschen Verdingungsverordnung für Bauleistungen, kann sie schon umgehen. Worte, die sie noch nicht kennt, übersetzt sie sich im Internet", sagt Leder. Er führt sie durch alle Unternehmensbereiche bei Eggers, auf Baustellen von Tiefbauprojekten in der Hafen City, zu Einsätzen der Kampfmittelräumung oder zur Bodenwaschanlage in Harburg. "Oftmals ist sie pünktlich am vereinbarten Treffpunkt und ruft mich an, wo ich denn bleibe", sagt Leder. Er habe Praktikantinnen erlebt, die säßen ihre Zeit lediglich ab und interessierten sich für nichts. "Aber Maria ist 100-prozentig dabei, voll motiviert und wissbegierig. Außerdem ist sie sehr gut ausgebildet", sagt Leder. Zusammengeschweißt hat das ungleiche Paar ein Zwischenfall. Leder: "Ich stürzte eine Treppe herunter und schlug mir den Kopf auf. Maria packte mich in mein Auto, setzte sich ans Steuer und raste ins Krankenhaus. Seither weiß ich: Die ist voll dabei."

Voll dabei sein. Maria wäre froh, wenn sie das irgendwann über ihr Leben in Deutschland sagen könnte. "Ich weiß nicht, wo ich in ein paar Jahren sein werde. Ich hoffe, in Deutschland mit einem festen Job als Bauingenieurin", sagt Maria. Die Unterschiede zwischen Jaén und Hamburg seien nicht so riesig, wie sie befürchtet hatte. "Ich muss mich an die Arbeitszeiten gewöhnen, an das Essen, und ich vermisse die sonnigen Tage in Jaén. Trotzdem kann ich nach ein paar Wochen sagen, dass ich mich ein wenig wie zu Hause fühle."

Das Hamburger Abendblatt wird Maria de los Angeles Moral Moral auf ihrem Weg in ein neues Leben in Deutschland begleiten. In den kommenden Monaten werden wir über das berichten, was sich im Leben der Spanierin ereignet hat.