Jetzt verurteilte das Gericht Christian L. zu knapp zwei Jahren Gefängnis ohne Bewährung

Kaltenkirchen/Norderstedt. Hella K., 84, hatte nicht den Hauch einer Chance, als sich ihr der Räuber völlig überraschend von hinten näherte und ihr mit Gewalt die Handtasche entriss. Die alte Dame verspürte einen Schlag gegen die Schulter, dann stürzte sie der Länge nach auf die Straße. Ort des Geschehens war ein kleiner Weg zwischen Stralsunder Weg und Rostocker Straße in Kaltenkirchen. Es war morgens gegen 10 Uhr im März 2009. Die Rentnerin war auf dem Rückweg vom Arzt, der ihr nach einer Beinoperation die Fäden gezogen hatte, wodurch sie noch nicht ganz sicher auf den Beinen war. Dank aufmerksamer Mitmenschen wurde der Täter, der Franzose Christian L., 28, schnell gefasst. Seine Wohnungsnachbarin in einem Mehrfamilienhaus am Pommernweg bekam nämlich mit, dass der junge Mann in größter Eile in den Hausflur gehastet war. Als Claudia G., 27, kurz danach in der Nähe einige Polizisten entdeckte, vermutete sie einen Zusammenhang und berichtete den Beamten von dem hektischen Verhalten ihres Nachbarn. Was folgte, war eine mehrstündige Durchsuchung der Wohnung des L., der jegliche Kenntnis von dem vorgefallenen Raub und natürlich auch seine Täterschaft abstritt. Bei einer ausgeweiteten Suche im Keller und auf dem Dachboden des Mehrfamilienhauses wurden die Ermittler fündig: Unter einigen Plastiksäcken wurde auf dem Dachboden die dem Raubopfer gehörende Handtasche. 130 Euro erbeutete Christian L. sowie drei EC-Karten, die er nicht mehr benutzen konnte. Der junge Mann gab die Tat zu. Die alte Dame erlitt bei dem Überfall neben einigen Rippenbrüchen und zahllosen Hämatomen einen Beckenbruch.

Obwohl der Räuber Christian L. sofort gefasst worden war, dauerte es fast drei Jahre bis ihm jetzt endlich vor dem Schöffengericht in Norderstedt der Prozess gemacht werden konnte. Der Angeklagte war nämlich in Frankreich untergetaucht, wo er im November 2011 festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert wurde. Nun wird der gelernte Anlagemechaniker, der sich in Frankreich wie vorher in Deutschland mit Jobs über Wasser hielt, in Handschellen direkt aus der JVA Neumünster in den Gerichtssaal geführt. Sein Umzug nach Frankreich habe mit diesem Strafverfahren nichts zu tun gehabt, behauptet der Angeklagte. Er habe Abstand zu seinem bisherigen Leben und zu den falschen Freunden gesucht, mit denen er sich vorher umgeben habe. Die Raubtat tue ihm heute leid, aber er habe unter Druck gestanden, weil er Leuten Geld schulde. Diese Leute fürchtet der Angeklagte immer noch. Bei seinem Opfer Hella K., die geistig völlig aufgeweckt von dem furchtbaren Erlebnis erzählt, entschuldigt sich der Angeklagte. Hella K. quittiert das mit einer wegwerfenden Handbewegung.

Die Staatsanwältin vermag an eine positive Kehrtwendung des Angeklagten nicht zu glauben. Sie bezeichnet die Tat als "skrupellos, verwerflich und niederträchtig". Selbst wenn der Angeklagte die Verletzung seines Opfers nicht geplant habe, wie er behauptet, hätte er bei einem Menschen dieses Alters damit rechnen müssen. Das Umfeld des Angeklagten sei nach wie vor instabil, er jobbe nur herum. Amtsrichter Reinhard Leendertz und die Schöffen sehen bei dem Angeklagten eine erhebliche kriminelle Energie. Bisher häufte er Straftaten überwiegend im Bereich Diebstahl und Betrug an. So unterschlug er als Paketbote Lieferungen und fälschte die Unterschrift seiner Mutter auf Überweisungsformularen, wodurch er sich selbst Geld vom Konto seiner Mutter überwies. Insbesondere wegen der Folgen für sein Opfer verurteilt das Gericht Christian L. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten ohne Bewährung. An sein als Nebenklägerin auftretendes Opfer Hella K. muss der Angeklagte zusätzlich 2500 Euro Schmerzensgeld zahlen.