Die Stadt wird kostenlos Hundekotbeutel verteilen - und die Politik sorgt dafür, dass dabei gegen Rechtsextremismus gekämpft wird.

Norderstedt. In dieser Geschichte dreht sich alles um fäkale Tretminen und braunes Gedankengut. Beides muss weg. Und die Norderstedter Kommunalpolitik hat nun einen Weg gefunden, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Oder vielmehr: Mit einem Beutel das Braune im Park und auf dem Fußweg sowie das Braune in der Gesellschaft zu bekämpfen.

Aber der Reihe nach. Am Anfang stand der Bürgerhaushalt. Die Norderstedter, die es satt hatten, auf ihren Spaziergängen durch die Stadt am laufenden Meter in Hundekot zu treten, forderten die Stadt in der Diskussion um den Doppelhaushalt 2012/2013 auf, kostenlos und möglichst massenhaft Hundekotbeutel an die Bürger zu verteilen. Eine Idee, die auch der Forderung des Seniorenbeirates entsprach, der sich ebenso über die Rücksichtslosigkeit mancher Hundebesitzer beschwert hatte, die die Häufchen ihrer Hunde einfach im öffentlichen Raum der Allgemeinheit überlassen. Je mehr Kotbeutel im Umlauf sind, desto weniger davon bleibt liegen und desto größer wird der Druck auf die Beutel-Muffel unter den Hundehaltern.

+++ Auf dem linken Auge blind +++

"Das Thema kommt über die Aktion in das Bewusstsein der Menschen. Viele Grünanlagen in der Stadt sind durch die Hundehaufen doch nur noch eingeschränkt benutzbar", sagt Maren Plaschnick von der Grün Alternativen Liste in Norderstedt (GALiN). Sie nahm die Forderung der Bürger auf und übersetzte sie in einen Antrag für den Hauptausschuss der Stadtvertretung. Und die grüne Kommunalpolitikerin ging darin sogar noch weiter. Sie forderte eine Satzung, die die Hundehalter sogar verpflichten sollte, die Beutel für jedes Exkrement zu nutzen - bei Androhung entsprechender Bußgelder.

Der Hundekot muss weg, damit Grünanlagen wieder benutzbar werden

Auf die kostenlose Verteilung von Hundekotbeuteln in der Stadt konnten sich die Parteien im Hauptausschuss dann auch recht schnell einigen. Dass eine Satzung zur Verpflichtung der Hundehalter und die Überprüfung selbiger realisierbar wäre, das zweifelten alle Parteien an. "Wir können nicht hinter jedem Hundehaufen herlaufen. So viele Politessen hat die Stadt ja gar nicht", sagt Klaus-Peter Schroeder von der FDP. Ihm als Liberalen missfalle auch die Vorstellung, dass Hundehalter in der Stadt derart gegängelt würden. Sinniger sei es, an den gesunden Menschenverstand zu appellieren und auf Freiwilligkeit zu setzen. Er formulierte den GALiN-Antrag um, und der Änderungsantrag - ohne Satzungsaufstellung - wurde einstimmig mit 13 zu null Stimmen beschlossen. Die Stadt soll die Beutel einkaufen, mit Logo bedrucken und sie dann über den Einzelhandel und Tankstellen in der Stadt verteilen. Dazu sollen noch Gespräche mit den Ladeninhabern geführt werden. Damit Hundehalter die Beutel samt Kot nicht all zu lange mit sich herumschleppen müssen, sollen an den gängigen Hundeauslaufstrecken vermehrt Mülleimer für die Entsorgung aufgestellt werden.

Die Verbindung zwischen braunem Hundekot und braunem Gedankengut brachte dann Miro Berbig, der Chef der Fraktion Die Linke ins Spiel. Die Stadt, so forderte Berbig in einem Ergänzungsantrag, solle nicht irgendwelche Hundekotbeutel verteilen, sondern welche, die ein Zeichen gegen Rechtsextremisten und Neo-Nazis setzen. Die Werbeagentur Draftfcb in Hamburg - Deutschlands älteste Werbeagentur, die unter anderem seit 100 Jahren Werbung für Beiersdorf macht - hat für eine Aktion gegen Rechts mit den Initiativen "Laut gegen Nazis" und "Aktion Zivilcourage" den doppeldeutigen Slogan entwickelt: "Das Braune muss weg!" Seit Januar 2011 prangt er auf 50 000 Hundekotbeuteln in Berlin, die der Verein Stadt & Hund über seine 200 Beutelspender verteilt. Dabei steht folgender Text: "Ausländerfeindlichkeit und braunes Gedankengut dürfen keinen Platz haben. Weder in den Köpfen, noch auf der Straße. Wir engagieren uns für ein Straßenbild ohne Nazis und erteilen Rechtsextremisten eine klare Abfuhr."

Die CDU will "keine politischen Aufdrucke auf Kotbeuteln"

Die Stadt müsse sowieso irgendetwas auf die Kotbeutel aufdrucken lassen, sagt Miro Berbig. "Warum also nicht ein klares Bekenntnis gegen Rechts?" Den Slogan stellt die Agentur Draftfcb kostenfrei zur Verfügung. Die Stadt könne ihn noch durch das Stadt-Logo ergänzen - und fertig ist der Beutel gegen alles Braune.

Trotzdem sich die GALiN, die FDP und auch die SPD sofort für den Ergänzungsantrag der Fraktion Die Linke erwärmen konnten, folgte dann eine einstündige Diskussion um den moralisch aufgewerteten Kotbeutel. Denn die CDU-Fraktion beharrte auf herkömmlichen neutralen Beuteln. "Politische Aufdrucke jeglicher Art haben auf Kotbeuteln nichts verloren", sagt der Fraktionschef der Christdemokraten, Günther Nicolai. Im Übrigen könne man nicht irgendwelche Firmen, die die Linken ins Spiel brächten, bevorzugen. "Die Beschaffung der Beutel muss ausgeschrieben werden. Und der günstigste Anbieter bekommt den Zuschlag", sagt Nicolai.

Die Mehrheit ist für ein deutliches Signal gegen Faschismus

"Quatsch", entgegnet Jürgen Lange von der SPD. Die Beutel seien das eine, der Aufdruck das andere. Nicolai verstehe nicht, dass Draftfcb keine Beutel liefere, sondern lediglich einen kostenfreien Slogan für den Kampf gegen Rechts. "Die Stadt muss so oder so was auf die Beutel drucken. Da entstehen also keine Mehr-Kosten", sagt Lange.

Miro Berbig sagt, die CDU habe in fadenscheiniger Argumentation versucht, die Aktion zu verhindern. "Es zeigt sich deutlich, welche Parteien nicht nur Lippenbekenntnisse gegen Rechts vorbringen, sondern auch aktiv ein deutliches Signal gegen den Faschismus und seine Auswüchse zeigen wollen", sagt Berbig. Unsinnige Gefechte um Formalien hätten beim Kampf gegen Rechts nichts zu suchen.

+++ Liegen lassen wird teuer +++

Das sagten sich auch die anderen Parteien. Und so wurde der Antrag der Fraktion Die Linke schließlich mit sieben Stimmen von Die Linke, FDP und SPD gegen sechs CDU-Stimmen angenommen. Norderstedt wird also wie Berlin gegen Hundekot und braunes Gedankengut kämpfen.

Berbig ist froh: "Schön, dass wir dieses eindeutige politische Signal auch ohne die CDU hinbekommen haben. Ich bedaure aber, dass nicht alle demokratischen Kräfte ein so eindeutiges Zeichen setzen wollten."