Man soll sich nicht seiner Weisheit, seiner Stärke oder seines Reichtums rühmen, so steht es bei Jeremia 9, 22. In den meisten Kirchen wird man darüber am Sonntag nachdenken.

Schade, da hat man sich so angestrengt, endlich ein wenig weise, stark und reich zu sein - und dann soll man sich dieser Errungenschaften nicht rühmen. Man will es ja gar nicht auf dem Marktplatz herausschreien oder bei Facebook veröffentlichen. Also dann doch das Licht unter einen Scheffel stellen?

Im zweiten Teil des Textes heißt es: Man soll sich der Klugheit rühmen, die erkennt, dass Gott Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit auf Erden gefällt. Also muss man sich fragen, wem dienen meine Weisheit, meine Stärke und mein Reichtum? Könnte man also sagen, dass meine Weisheit, meine Stärke und mein Reichtum der Barmherzigkeit, dem Recht und der Gerechtigkeit dienen - ja, dann könnte man sich dessen rühmen.

Nun hat das mit dem "sich Rühmen" dennoch ein Problem. Mit allen Kompetenzen hat man sich für Gerechtigkeit, Recht und Barmherzigkeit eingesetzt, um sich schließlich rühmen zu dürfen. Man merkt schon, dieses Motiv verdirbt irgendwie die Sache. Man dreht sich doch nur selbstzentriert um sich selbst und bekommt dann leicht das Etikett des selbstgefälligen Gutmenschen angehängt.

Übte man nun Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit gegenüber jedermann, weil man einfach nicht anders kann und es das Normalste von der Welt ist, was im Übrigen der Welt sehr gut tun würde, warum müsste man sich dann noch rühmen? Man rühmt sich auch nicht dafür, dass man isst oder atmet. Gelebte Barmherzigkeit und Gerechtigkeit überzeugt aus sich heraus. Wie weit sind wir eigentlich davon entfernt?

Dr. Horst Kämpfer ist Pastoralpsychologe im Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein