Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gewinnt in Henstedt-Ulzburg Sympathien mit sachlicher Rede: Klare Worte und Lebensweisheiten.

Henstedt-Ulzburg. Viel Aufregung um den Minister: Wichtige Bodyguards, die unablässig irgendetwas in irgendwelche unsichtbaren Mikrofone nuscheln. Wichtige Leute machen wichtige Minen, Namenslisten am Eingang, schiefe Blicke, wenn mal jemand zum Klo muss. Weil die Bodyguards und der Henstedt-Ulzburger Polizeichef persönlich davor stehen. Aber der Herr Schäuble ist entspannt. Er kennt vermutlich die allgemeine Hektik, wenn er in die Provinz abtaucht, um mal eine seiner Reden zu halten.

"Hat noch mal jemand einen Kaffee für mich?", fragt er und blickt in die Runde. In den Raum elf des Bürgerhauses darf natürlich nicht jeder hinein kommen. Aber wer drinnen ist, merkt schnell wie locker der Finanzminister ist. Während er geduldig einige Fragen der Journalisten in Einzelgesprächen beantwortet, bauen sich im Hintergrund die Gruppen zum Gruppenbild auf. Zunächst die CDU-Prominenz, für die hier ja Wahlkampf gemacht werden soll. Volker Dornquast und Co. Danach die Junge Union aus dem Ort. "Freut ihr euch schon auf den Wahlkampf?", fragt Wolfgang Schäuble munter. Die Antworten fallen etwas gehemmt aus. Dann rollt er zum Gruppenbild an und platziert sich in der Mitte. Ein Foto, das vielleicht so mancher der jungen Leute noch den Enkeln zeigen wird. Schäuble ist ja immerhin eine der festen Größen dieser Bundesregierung.

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Im großen Saal des Bürgerhauses musiziert derweil die Travenorter Pankokenkapelle: So wird in Henstedt-Ulzburg Wahlkampf gemacht. Ländlich, deftig. Und ein bisschen provinziell. Aber wirklich nett. Beifall, als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auftaucht und mit seiner Rede beginnt. "Ohne eine gemeinsame Währung hätten wir den jetzigen wirtschaftlichen Stand nicht annähernd", sagt der Bundesfinanzminister. "Wir hätten nicht nur eine deutlich geringere wirtschaftliche Leistung und eine geringere Beschäftigung." Zwar sei die Entscheidungsfindung in Europa oft ein mühsamer Prozess, "aber wir müssen unsere europäische Währung vertrauenswürdig halten - stabil ist sie". Manchmal müsse ein Land auch vorpreschen, sagt er unter Anspielung auf die umstrittene Finanztransaktionssteuer. Dies habe Deutschland mit dem Verbot von Leerverkäufen schon einmal gemacht.

Es erstaunt nicht so sehr, was Wolfgang Schäuble sagt, sondern wie er es sagt. Die etwa 400 Menschen im voll besetzten Bürgerhaus haben nicht das Gefühl, dass dort oben ein prominenter Wahlkampfredner sitzt, sondern einer, vielleicht ein Uni-Professor, der geduldig und völlig unaufgeregt erklärt, wie die Wirtschaft in Europa funktioniert - oder zumindest funktionieren sollte. Keine polternde Wahlkampfrede mit rhetorischen Spitzen gespickt, sondern sachlicher und vielleicht gerade deshalb spannender Nachhilfeunterricht in Sachen Wirtschaftspolitik. Das hat schon eine gewisse staatsmännische Größe.

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Natürlich weiß Wolfgang Schäuble, dass er sein Publikum auch unterhalten muss. Das schafft er mit Sätzen wie diesen: "Dass die Württemberger so stark sind, liegt daran, dass die Schleswig-Holsteiner ihnen den Rücken frei halten." Die SPD greift Schäuble nicht frontal an, denn sie trägt den Euro-Kurs der Kanzlerin und ihres Finanzministers ja weitgehend mit. "Sie macht es auch gut", bescheinigt Wolfgang Schäuble der SPD denn auch - und fährt mit einer verschmitzten kleinen Spitze fort: "Aber das reicht nicht, man muss es auch können."

Klare Worte eines Finanzministers, der auch Lebensweisheiten von sich gibt: "Die Stabilität einer Gesellschaft hängt von der Kraft der menschlichen Beziehungen ab, im Großen und in der Familie. Wer für sich allein lebt, ist ein armer Hund!"

Dem Wahlkämpfer Volker Dornquast gibt er eine andere Weisheit mit auf den Weg: "Erliegen sie nicht der Versuchung, im Wahlkampf zu viel zu versprechen; die Menschen glauben das gar nicht."