Norderstedter sucht seit gut acht Monaten vergeblich eine Mietwohnung. Wohnungsunternehmen wollen neue Sozialwohnungen bauen.

Norderstedt. Er sucht sich schon mal seinen Schlafsack raus und stellt sich auf ein Leben im Wald oder auf der Straße ein: Seit gut acht Monaten sucht Jens H. eine Wohnung in Norderstedt - vergeblich. Seinen richtigen Namen will er nicht nennen, er lebt von Hartz IV, nicht gerade hilfreich bei der Wohnungssuche. Der 34 Jahre alte gelernte Bürokaufmann erlebt ganz persönlich, was Statistik heißt: Es fehlen günstige Wohnungen in der Stadt.

Eine Erkenntnis, die Verwaltung und Politiker erreicht hat: "Das Problem ist erkannt. Wir haben als Stadt ein großes Interesse daran, dass erneute Investitionen im sozialen Wohnungsbau erfolgen und deshalb sowohl Gespräche mit dem Innenministerium und der Investitionsbank Schleswig-Holstein als auch mit möglichen Investoren geführt und führen sie noch", sagt Norderstedts Sozialdezernentin Anette Reinders.

In der Stadt gibt es 2335 öffentlich geförderte Wohnungen

Laut Sozialbericht gibt es 2335 öffentlich geförderte Wohnungen in der Stadt, das entspricht einem Anteil von rund sechs Prozent bei insgesamt 39 500 Wohnungen. Allerdings wird der Bestand in den nächsten Jahren kräftig schmelzen, bis zum Jahr 2020 um rund 60 Prozent.

"Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum für die Bezieher von Sozialleistungen. Für sie gibt es Mietpreis- und Wohnflächenhöchstgrenzen, die es ihnen schwer machen, eine Wohnung zu finden", sagt die Dezernentin. Was das im Alltag bedeutet, hat Jens H. bei seiner Odyssee erfahren. Ihm ist passiert, wovor niemand gefeit ist: Sein Arbeitgeber ging pleite, H. war arbeitslos. Fast gleichzeitig löste sich seine WG auf, er stand ohne Job und Dach über dem Kopf da. "Ich habe mich zwar weiter gebildet, aber da ich gesundheitlich eingeschränkt bin, habe ich bisher keinen neuen Job gefunden", sagt Jens H., der bei seinem Bruder wohnt. Keine Dauerlösung, wie er sagt. Schließlich wolle er seiner Familie nicht zur Last fallen, und mit 34 sei es Zeit, sein eigenes Leben in "seiner" Wohnung zu führen.

Die Suche danach vollzieht sich in engen Grenzen. 50 Quadratmeter stehen einem Single laut den Hinweisen der Jobcenter zur Anmietung einer Wohnung zu. Bis zu 359 Euro Miete übernimmt das Jobcenter in Norderstedt, 339 sind es in Kaltenkirchen, Bad Bramstedt und Bad Segeberg, 334,50 Euro in Henstedt-Ulzburg und Ellerau. Hinzu kommen die Kosten für Heizung und Warmwasser. "Im September wurde die Mietobergrenze von 382 Euro auf den neuen Betrag gesenkt. Wie soll man da eine Wohnung finden, wenn selbst die günstigste teurer ist als die Mietobergrenze.

Hinzu kommt ja noch die Makler-Courtage, die das Jobcenter grundsätzlich nicht übernimmt", sagt Jens H., der überwiegend im Internet sucht und zahlreiche Zeitungsanzeigen durchforstet. Doch entweder seien die Objekte zu teuer, komplett renovierungsbedürftig mit ganzen Schimmelpilzkulturen an den Wänden, sozial unverträglich, weil Jugendliche in der Nachbarschaft jede Nacht "wilde Sau" spielten und an Schlaf nicht zu denken sei, oder in der langen Schlange von Interessenten gebe es immer jemand, der einen Job habe und von den Vermietern bevorzugt werde.

Und Jens H. ist kein Einzelfall. In der Redaktion hat sich fast zeitgleich mit ihm eine Frau gemeldet, die ebenfalls schon seit langem eine Wohnung sucht. "Ich kenne noch andere Personen, die sich in der gleichen Situation befinden wie ich und auch keine Wohnung bekommen", sagt der arbeitslose Bürokaufmann. Der Mangel an günstigen Wohnungen mache Norderstedt zunehmend uninteressant für junge Leute. Die Stadt sei auf dem Weg zu "Hamburger Verhältnissen" - in der Metropole sind die Mieten in den begehrten Stadtteilen in den vergangenen Jahren geradezu explodiert. Von "Hamburger Verhältnissen" in Norderstedt könne nicht die Rede sein, sagt Horst Elbracht vom Norderstedter Wohnungsunternehmen Plambeck.

Lange Schlangen bei der Besichtigung von Wohnungen gibt es nicht

Auch lange Schlangen bei Besichtigungsterminen kenne er nicht, schon gar nicht von Plambeck. Das Unternehmen vergebe in der Regel Einzeltermine. "Wir haben durchschnittlich fünf öffentlich geförderte Wohnungen im Vermietungs-Angebot und vermieten sie vornehmlich an Menschen, die hier wohnen oder arbeiten", sagt Elbracht. 5,10 Euro netto kalt betrage die Miete, sie sei auch von Menschen zu bezahlen, die Hartz IV beziehen. Rund 1500 Sozialwohnungen hat Plambeck zusammen mit Adlershorst und der damaligen Wobau Schleswig-Holstein gebaut, als ab 1978 Norderstedt-Mitte entstand. Nach dem schleswig-holsteinischen Wohnraumfördergesetz von 2009 ende die Sozialbindung und damit auch die staatliche Mietsubvention nach 35 Jahren - also in den nächsten Jahren. "Daher sehen auch wir die Notwendigkeit, Ersatz zu schaffen", sagt Elbracht. Das Unternehmen will rund 60 öffentlich geförderte Wohnungen im Neubaugebiet Garstedter Dreieck hochziehen. Sie seien für Menschen mit schmalem Haushaltsbudget, vor allem für Senioren gedacht.

Auch die Baugenossenschaft Adlershorst steht dem Bau von öffentlich gefördertem Wohnraum grundsätzlich positiv gegenüber. "Wir haben in den letzten drei Jahren in Wedel, Tornesch und Elmshorn Neubauten mit öffentlich geförderten Wohnungen erstellt. Den Bedarf für öffentlich geförderte Wohnungen in Norderstedt werden wir Anfang des Jahres in einem weiteren Gespräch mit der Stadt ermitteln", sagt Benjamin Schatte von Adlershorst.