Drei Lehrer berichten von ihrem Leben zwischen Unterricht, Konferenzen, Elterngesprächen und Klassenfahrten

Norderstedt. Sie haben morgens recht, nachmittags frei und drei Monate Ferien. Da sollen sie sich nicht beschweren, wenn sie, wie von der schleswig-holsteinischen Landesregierung gefordert, demnächst eine Stunde mehr arbeiten sollen. Natürlich wissen die meisten längst, wer gemeint ist. Schließlich haftet Lehrern immer noch das Image des Teilzeitarbeiters an. "Die Praxis sieht anders aus, wir können uns über einen Mangel an Arbeit nun wirklich nicht beklagen", sagt Almuth Lange-Rose, 55, seit 30 Jahren im Beruf und Lehrerin an der Gemeinschaftsschule Harksheide.

Die Belastung habe ständig zugenommen. Neben dem normalen Unterricht stehen regelmäßig Konferenzen auf dem Stundenplan, die Realschullehrerin spricht sich mit den Fachkollegen in Französisch und Englisch ab, beschäftigt sich in Klassenkonferenzen mit verhaltensauffälligen Schülern, organisiert Ausflüge und Klassenfahrten, spricht mit den Eltern und entwirft individuelle Lernpläne. Jeder Schüler soll möglichst optimal gefördert und gefordert werden. Fordern ist auch die pädagogische Maxime von Lange-Rose. "Natürlich so, dass die Schüler die Lernziele erreichen können und Erfolg haben", sagt die verheiratete Mutter eines erwachsenen Sohnes, die sich als bestimmend und konsequent beschreibt. Rumlümmeln auf der Bank kann sie nicht leiden, und wer Material vergisst oder die Hausaufgaben nicht erledigt hat, muss nachsitzen. Zurück zu den Regeln, heißt es ohnehin an der Schule. Keine Handys im Klassenzimmer, keine Caps und kein Kaugummi, alles mit den Eltern abgestimmt.

"Ohne Begeisterung kann man den Job nicht machen"

Was braucht ein guter Lehrer? "Ohne Begeisterung kann man den Job nicht machen", sagt die gebürtige Hessin. Freundlich sollten Lehrer sein, offen und flexibel, Menschen und Kinder mögen, kein Schüler ist wie der andere. Humor sei ganz wichtig, man müsse auch mal über sich selbst lachen können. Almuth Lange-Rose lacht gern und viel, was nicht immer einfach ist. "Die ständig wechselnden Erlasse und Vorgaben aus dem Ministerium, das macht uns kaputt", sagt die Pädagogin, die ihre wöchentliche Arbeitszeit auf rund 50 Stunden beziffert, die Hälfte ist Unterricht in der Schule, der Rest Vor- und Nachbereitung, Konferenzen, Teambesprechungen.

Offizielle Untersuchungen belegen, dass die meisten Lehrer mehr arbeiten als Beschäftigte in der freien Wirtschaft. Danach beträgt die jährliche Arbeitszeit in den Betrieben rund 1600 Stunden, ein Pädagoge bringe es auf gut 1900 Stunden.

Viele Lehrer werden frühzeitig in den Ruhestand geschickt

Kein Grund zum Jammern, findet Almuth Lange-Rose. Sie habe ein Privileg, auf das sie nicht verzichten will: "Wir können uns die Arbeit einteilen, nachmittags in den Garten gehen oder Sport treiben, und abends Klausuren korrigieren oder Unterricht vorbereiten", sagt die Norderstedterin, die ihre Berufswahl nie bereut hat. Die Arbeit mache unheimlich viel Spaß, von Burn-out-Syndrom keine Spur. Dabei werden im Vergleich zu anderen Berufen überdurchschnittlich viele Lehrer frühzeitig in den Ruhestand geschickt, weil sie gesundheitlich stark angeschlagen sind.

"Wenn man sechs Stunden vor einer Klasse gestanden hat, merkt man das schon", sagt Tanja Sievers, 33. Sie steht noch am Anfang, unterrichtet seit 2006 Englisch, Deutsch und Biologie am Gymnasium Harksheide. Lehrer müssen 100 Prozent da sein, sie können nicht wegnicken, die Gedanken nicht fliegen lassen, sich nicht mal eben einen Kaffee holen, wenn sie neue Vokabeln einführen oder die Photosynthese erklären. Zwar gehört der reine Frontalunterricht der Vergangenheit an, es gibt Stillarbeitsphasen und Partnerarbeit, dennoch ist der Lehrer immer gefordert.

Doch mit dem Unterricht ist es bei Tanja Sievers nicht getan. Die Hamburgerin ist Fachschafts-Leiterin für Englisch, Mitglied der Schulkonferenz, Beauftragte für das Projekt Deutsch als Zweitsprache, Tutorin im 13. Jahrgang und guckt auch sonst nicht auf die Zeit, die sie investiert. Sie hat die Kanu-Abschlusstour mit den Abiturienten geplant, organisiert die Schülerfahrt ins englische Brighton. Und die Power-Frau interessiert sich, eher ungewöhnlich für Lehrer, auch für die Organisation des Schulalltags. So hat sie beispielsweise an den neuen Zeugnis-Köpfen mitgearbeitet und sich dafür engagiert, dass die alten 45-Minuten-Einheiten durch 90-Minuten-Blöcke ersetzt wurden. Auch in den Ferien lässt sie der Job nicht los: "Ich habe die gesamten Osterferien damit verbraucht, Leistungskurs-Klausuren zu korrigieren", sagt Tanja Sievers.

Sie findet es toll, dass sie fast täglich ihr Wissen erweitert, sich mit der gälischen Sprache in Schottland beschäftigt und gleich darauf mit dem Leben im Teich. Die Single-Frau wusste schon früh, dass sie mit Jugendlichen arbeiten will. Der Praxisschock, der immer mal wieder Referendare trifft, blieb bei ihr aus. "Wenn man einen solchen Beruf ergreifen will, bereitet man sich vor", sagt die Gymnasiallehrerin, die früher Jugendgruppen geleitet und an der Uni unterrichtet hat.

Viele Kinder sind unausgelastet, extrem überdreht oder in sich gekehrt

Kollegin Almuth Lange-Rose stellt fest, dass sich die Schüler verändert haben: "Heute gibt es viele kleine Individualisten, und wir brauchen ein Jahr, um sie nach der Grundschule zu einer Klassengemeinschaft zusammenzuführen." Viele Kinder seien unausgelastet, sie säßen vorm PC oder Fernseher, bewegten sich zu wenig, oft seien sie extrem überdreht oder in sich gekehrt.

Christian Krämer, 39, bestätigt das: "Viele Eltern haben zu wenig Zeit für ihre Kinder. Der Medienkonsum nimmt zu", sagt der Grundschullehrer. Die Kinder würden ständig mit Reizen überflutet, der Fernseher läuft, Musik dröhnt in die Ohren, am PC wird gespielt, und das alles gleichzeitig. Da falle es vielen schwer, im Unterricht nicht einfach vorbeirauschen zu lassen, was der Lehrer sagt. "Ich bin nicht Radio Krämer, hier müsst ihr zuhören", lautet die Reaktion des Pädagogen, den die Echtheit kindlicher Emotion an die Grundschule geführt hat. "Als ich F-Jugend-Fußballer trainiert habe, habe ich gemerkt: Die tragen keine Maske. Wenn sie sich freuen oder meckern, ist das ehrlich", sagt Krämer, der mit seiner Partnerin und seiner eineinhalb Monate alten Tochter in Tangstedt lebt.

Grundschüler seien noch formbar. Krämer liegt das Sozialverhalten am Herzen, niemanden ausgrenzen, andere anerkennen, sich gegenseitig helfen, das könne prima bei Ausflügen und Reisen vermittelt werden. "Da muss man nicht viel reden, sondern die Kinder machen lassen", sagt der Sport-, Deutsch-, Heimat- und Sachkundelehrer, der weiß, dass man den Einfluss von Lehrern nicht überschätzen darf. Er versucht, konsequent zu sein, die Mittel sind kreativ. Da gibt es Lautstärke-Ampeln, Leisezeichen und eine Smiley-Liste.

Bei vielen Kindern kommen Männer als Bezugspersonen kaum vor

Krämer ist eine Rarität im Schulleben, an Grundschulen unterrichten fast nur Frauen. Landesweit liegt der Männer-Anteil bei 15 Prozent, in den Kitas sogar nur bei drei Prozent. "Dabei sind männliche Vorbilder wichtig. So mancher Junge wächst bei der Mutter auf, mit Schwestern, der Oma, Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen. Männer kommen als Bezugspersonen kaum vor", sagt Krämer, der die Erklärung gleich mitliefert: Grundschullehrer unterrichten 28,5 Stunden pro Woche, vier Stunden mehr als Gymnasiallehrer. "Dafür verdienen wir aber rund 600 Euro weniger", sagt Krämer, den diese Diskrepanz ärgert. Begründet wird sie im Wesentlichen mit höheren inhaltlichen Anforderungen und erhöhtem Korrektur-Aufwand. Das sei zwar richtig, andererseits seien Grundschullehrer erzieherisch stärker gefordert.

Ein Oberstudienrat bekommt A 14, mit zwei Kindern macht das 4750 Euro. Davon bleiben netto rund 3500 über. Ein Studienrat am Anfang des Berufslebens bekommt 3100 brutto, etwa 2500 netto. "Das Gehalt ist ordentlich", sagt denn auch Almuth Lange-Rose. Dennoch müsse man darauf achten, dass die Schule einen nicht "auffresse". Krämer hat die Arbeit am Wochenende früher immer vor sich her geschoben und ständig ein schlechtes Gewissen gehabt. "Nun erledige ich das bis Freitag Abend, dann habe ich Zeit für die Familie", sagt er. Kollegin Tanja Sievers hat festgestellt, dass "man auch mal abschalten" muss. Joggen, Familie und Freunde treffen, gelegentlich Ruhe vor den Schülern macht wieder Lust aufs Lehren.