Bürger haben den Kampf gegen das VW- und Audi-Imperium verloren. Der Turm erhält zwar noch eine Galgenfrist von einem Jahr, aber dann entstehen dort Garagen.

Norderstedt. Der Turm bleibt stehen. Vorerst. Als einziger Beweis, dass auf dem Gelände an der Langenhorner Chaussee/Ecke Stockflethweg einmal der "Bärenhof" gestanden hat. Jetzt wird das ehemalige Schlösschen abgerissen. Der Turm erhält noch eine Galgenfrist von einem Jahr. Dann werden unter dem ehemaligen Märchenhof Tiefgaragen gebaut. Der Kampf um den Erhalt des Bärenhofes tobt seit acht Jahren. Anwohner des "Bärenhofes", die Bürgerinitiative "Rettet den Bürgerhof" der Willy-Bredel-Gesellschaft und Langenhorner Kommunalpolitiker stritten sich heftig mit dem Grundstückseigentümer, dem Autohaus Wichert.

Jetzt haben die Bürger den Kampf gegen das VW- und Audi-Imperium verloren. Heute ab 14 Uhr treffen sie sich zum Abgesang auf das historische Gebäude-Ensemble. "Mit Zorn im Herzen laden wir zum Abschied für den Bärenhof ein", schrieb Initiator René Senenko in den Aufruf. Mit Ansprachen bei Musik, Kaffee und Kuchen wollen die "Bärenhof"-Freunde ein letztes Mal Position für ihr Schlösschen beziehen.

Den Plan, einen Teil des "Bärenhofes" abzutragen und in dem geplanten Einkaufszentrum am Ochsenzoll wieder aufzubauen, ließ Wichert fallen. "Das hätte uns ein paar 100 000 Euro gekostet", sagt Bernd Kußmaul, Geschäftsführer des Autohauses. Ohnehin habe das Unternehmen Schwierigkeiten, das neu zu bauende Nahversorgungszentrum am Ochsenzoller Bahnhof zu vermieten, zumal Supermärkte "nicht mehr als 12,50 Euro pro Quadratmeter" (Kußmaul) zahlen würden. Geplant sei ein bürgernaher Branchenmix.

"Wir müssen modernisieren, denn VW und Audi bestehen auf eine räumliche Trennung der Marken", sagt der Geschäftsmann. Die gesamte Wichert-Fläche beträgt 40 000 Quadratmeter. "Allerdings haben wir durch den Protest gegen den Abriss des 'Bärenhofes' einen großen Image-Schaden zu verzeichnen", sagt Kußmaul.

Der "Bärenhof" war ein Ensemble mit Bärenzwinger, Burgverlies, Hexenturm und Kapelle. Der Hamburger Makler Emil Römling baute das abenteuerliche Anwesen um 1890 im neoromantischen Stil. Der Mann hatte in China ein Vermögen mit dem Verkauf von Nähnadeln gemacht.

Die Sehnsucht des Langenhorner "König Ludwig" aber galt verwunschenen Schlössern und trutzigen Burgen, und genau so etwas wollte Römling in Langenhorn bauen - den "Bärenhof". Zuerst entstanden Haupthaus und Hexenturm, dann Türmchen und Erker. Langenhorns Nähnadel-Baron war ständig auf der Jagd nach Antiquitäten, je kurioser, desto besser. Skulpturen aus fernen Ländern, Mauerbrocken aus Ruinen und Gemäuer aus der Nachbarschaft bevölkerten bald den "Bärenhof". Römling kaufte beispielsweise Holztäfelung, Fenster und Türen des alten Hamburger Zollhauses St. Annen auf, als es abgerissen wurde.

Für die stete Verschönerung seines Anwesens beschäftigte Römling den Maurer Korl Eenbeen - der Mann hatte nur ein Bein - und den Arbeiter Jochen Kobei, die seine gesammelten Mauerbrocken, Simse, Wappen, Fenster und Türen, Reliefs, Putten und Medaillons mit Mariendarstellungen und Jahreszahlen in den "Bärenhof" einbauten. Als älteste Jahreszahl soll 1547 eingemeißelt gewesen sein. Das Relief einer Wappenzeichnung mit zwei Sternen über dem Tor zum Hexenturm trägt die Zahl 1580. Stolz soll Römling auch auf ein Brunnenhäuschen auf dem Hof gewesen sein, das er dem Freiherrn von Pohl aus dessen Wintergarten am Klosterstern abkaufte. Die Pumpe versorgte die Bewohner des "Bärenhofes" mit Wasser.

Römling sammelte nicht nur Gegenstände. Sondern auch Menschen und Bären. Er steckte die Zotteltiere in einen Zwinger und erschreckte mit ihnen die Nachbarschaft. Der soll es einer Legende nach bald gereicht haben. Die Bauern unter ihnen wollten den Spuk mit Meister Petz beenden. Doch einer der frei auf dem Hof laufenden Pelztiere biss einen Bauern, die anderen flüchteten. Römling hatte die Attacke beobachtet und ließ folgenden Spruch in die Hofmauer meißeln: "Wer sich will kratzen mit dem Bär'n, des Haut muß erst noch dicker wer'n." Das Relief mit Spruch und Bär war bis vor kurzem noch zu lesen. Bald jedoch musste sich Römling von seinen Bären verabschieden, die Ordnungsbehörde brachte sie zu Hagenbecks Tierpark.

Stattdessen amüsierte er sich mit seiner Hexe. Er sprach sie mit "Turmhexe" an und ließ sie dafür mietfrei wohnen. Seinen Tisch teilte eine lebensgroße Hexenpuppe, mit der er um den Brunnen tanzte. Manchmal schickte er beide Hexen im Ringelpiez um den Brunnen.

Ochsenzolls Jugendliche gefiel das sonderbare Treiben auf dem "Bärenhof". Für sie stellte Römling ein Grammofon in seine eigene Kapelle, und die Jungen und Mädchen durften für einen Groschen mit der Stoffhexe tanzen. Eines Tages aber zog es den Abenteurer nach Süddeutschland. Die Inflation der 20er-Jahre brachte ihn um sein Vermögen, und er starb völlig verarmt.

Der "Bärenhof" wurde zur Gastwirtschaft. 1942 verkaufte der Gastwirt die Schenke, der Hof wurde umgebaut, Einzelhändler bauten ihre Geschäfte in das Ensemble. In den letzten Jahren verfielen die Gebäude zusehends.

(Quellen: Bürgerinitiative "Rettet den Bärenhof" der Willy-Bredel-Gesellschaft, Detlev Ehlers im Langenhorn-Archiv von Erwin Möller)