Ingeburg und Gerhard Pohl feiern diamantene Hochzeit. Das Norderstedter Ehepaar lernte sich klassisch beim Tanztee kennen. 1947 in Riesa bei Dresden. 1950 heirateten sie.

Norderstedt. Das war der Klassiker. Der Tanztee am Sonntagnachmittag. Ob in Hamburg, in Dresden oder im benachbarten Riesa - beim Tanztee lernten sich junge Frauen und Männer kennen. Beim Tanztee konnten sie ungezwungen miteinander plaudern und tanzen. Oft wurde daraus mehr. Wie 1947 bei Ingeburg und Gerhard Pohl. Drei Jahre später heirateten sie. Jetzt feierten sie in Norderstedt mit Dresdner und Norderstedter Freunden ihre diamantene Hochzeit.

"Ich habe mich nicht gleich in ihn verliebt, denn ich tanzte auch gern mit anderen jungen Männern", sagt Ingeburg Pohl und fängt sich heute noch einen eifersüchtigen Blick ihres Ehemannes ein. Den quittiert sie mit einem amüsierten Lächeln, schließlich sind sie nach 60 Jahren Ehe gut aufeinander eingestellt, haben die gleichen Interessen und den gleichen Beruf - Lehrer.

"Ich habe mich in sie verliebt, weil sie eine gute Ausstrahlung hat. Und weil sie immer so adrett aussah", sagt Gerhard Pohl. Und erntet einen liebevollen Blick von seiner Ingeburg. Ihr Vater war Friseurmeister und hatte in Riesa einen großen Frisiersalon, sie lernte Friseurin und setzte alles daran, auch am Kopf bestens auszusehen. Doch die heute 80-Jährige hatte es auch im Kopf. Sie studierte, machte ihr Staatsexamen mit Auszeichnung und wurde Grundschullehrerin.

1952 kam Sohn Rainer zur Welt. Als sich das diamantene Paar kennenlernte, war Gerhard Pohl erst einige Monate aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. "Mich faszinierte sein starker Charakter, seine Zielstrebigkeit und sein Charme", sagt sie.

Gemeinsam schmiedeten sie ihr Leben in Dresden und in der "Mangelwirtschaft" (Gerhard Pohl) der DDR. "Wir wollten in Ruhe leben, wollten unserem Beruf nachgehen, ein Auto und reisen", sagt das Paar. Schließlich erhielten sie ihren Trabi, luden Sohn, Zelt und Gepäck ein, und ab ging es nach Bulgarien und Rumänien ans Schwarze Meer, nach Ungarn an den Plattensee.

"Wir haben Abenteuerurlaub gemacht, und wenn man mich heute fragt, ob ich das noch einmal machen möchte oder eine Pauschalreise, so würde ich immer wieder auf Abenteuerurlaub gehen", sagt Gerhard Pohl. Wo sie waren, schlugen sie ihr Zelt auf, der Camping-Kocher wurde aufgestellt, die frische Luft und die ländliche Ruhe genossen.

In Dresden gab es dafür Kunst und Kultur. Semperoper beispielsweise. Sohn Rainer machte in Dresden das Abitur, nutzte dann aber einen Verwandtenbesuch im Westen, um nicht in die DDR zurückzukehren. Die Eltern stellten einen Ausreiseantrag und konnten nach ihrer Pensionierung zu ihrem Sohn ausreisen. Der hatte inzwischen die Wohnung in Norderstedt für seine Eltern organisiert. Im Januar 1988 war das. Am 9. November 1989 fiel die Mauer. Und damit die DDR. "Das war damals aber nicht zu erwarten", sagen die Pohls.

Bedauern sie ihren Schritt? Nein. Sie fühlen sich wohl in Norderstedt. Obwohl - den Freundeskreis in Dresden, den vermissen die zwei schmerzlich. Der ist in Norderstedt merklich kleiner. Gern gingen sie zum Seniorentanz in den Festsaal am Falkenberg. Doch der wurde auf nur fünf Nachmittage im Jahr reduziert. "Das bedauern viele Senioren", sagt das diamantene Paar. Tanztee in Norderstedt 2010 ist eben doch nicht Tanztee in Riesa 1947.