Amtsinhaber Hans-Joachim Grote im Interview. Der 54-jährige CDU-Mann setzt im Wahlkampf ganz auf seine Erfahrung aus zwölf Jahren an der Spitze der Norderstedter Verwaltung. Bei seiner Herausforderin Katharina Kriston (SPD) wittert er dagegen Theorielastigkeit und auch Praxisferne. Hans-Joachim-Grote zeigt sich angriffslustig.

Norderstedter Zeitung:

Welche ist die wichtigste Eigenschaft, die ein Bürgermeister in Norderstedt haben muss?

Hans-Joachim Grote:

Sie müssen einem Bürger das Gefühl geben, dass er ihnen trauen kann. Die Probleme, mit denen die Bürger zu einem kommen, kann ich als Bürgermeister nicht immer lösen. Aber der Bürger muss sich ernst genommen fühlen und sagen können: Der nimmt sich meiner an.

Norderstedter Zeitung:

Gelingt Ihnen das? Müssen Sie den Bürger da nicht immer wieder enttäuschen, weil Sie die Zeit nicht haben?

Grote:

Die Zeit nehme ich mir. Der Bürgermeister ist für viele ja die letzte Instanz. Da geht man hin, wenn man auf normalem Weg nicht weiter gekommen ist. Da ist das stille Hoffen, der muss es richten können. Aber in vielen Fällen kann man nichts tun, weil die Sachlage rechtens ist. Aber ist sie auch gerecht? Nehmen sie die Erschließungsbeiträge, die wir von Bürgern erheben müssen. Als Mensch kann ich dem Bürger Verständnis für seinen Protest signalisieren. Als Chef der Behörde muss ich sagen: Nein. Manchmal ist die Lösung aber auch ganz einfach: Einer kann nicht bauen, weil geschützte Bäume seinem Hausbau im Wege stehen. Er versucht, das Fällen der Bäume zu erwirken, wir aber zeigen ihm einfach auf, dass er sehr wohl sein Haus um einen Meter verschieben kann.

Norderstedter Zeitung:

Ihre Gegenkandidatin Katharina Kriston wird nicht müde zu betonen, sie sei die Vertreterin einer anderen, jungen Generation, die für mehr Bürgerfreundlichkeit und Transparenz im Amt stünde.

Grote:

Lesen Sie doch mal die Schriften der Bertelsmann Stiftung oder von Zukunftswissenschaftler Horst Opaschowski über die Erwartungen der Bürger an ihren Bürgermeister durch. Da finden Sie solche Ausdrücke eins zu eins: ,Moderierender Politikstil' und ,Offene Kommunikation'. Wer sich um so ein Amt bemüht, der arbeitet sich in diese Materie eben ein. Ganz egal, ob man 37 oder 54 Jahre alt ist: Die Frage ist, wie ich Gelerntes und mein Wissen umsetze. Wenn ich ein paar Wochen im Internet recherchiere, wie ich ein Flugzeug steuern muss, und wenn ich dann noch mit dem Flugsimulator am PC übe, dann kann ich Ihnen bestimmt genau sagen, wie das geht. Aber würden Sie dann auch mit mir fliegen?

Norderstedter Zeitung:

Hat Frau Kriston also zu viele Bücher gelesen und ansonsten eher nichts zu bieten?

Grote:

Das kann ich nicht beurteilen, ich kann nur sagen, wie es zu solchen Aussagen kommt. Die Aufgaben der Zukunft definiert diese Stadt, nicht ein Grote und auch nicht eine Kriston. Als Oberbürgermeister muss ich entscheiden, wie ich ein Thema angehe und wie ich es realisiere. Und als Bürger muss ich entscheiden, wie ist die Präsentation und was steckt existenziell dahinter?

Norderstedter Zeitung:

Als Sie mit CDU-Mehrheit in der Stadtvertretung die Verwaltung führten, wurde Ihnen der Vorwurf gemacht, die Entscheidungen fallen in Hinterzimmern und werden dann durch die Gremien gepeitscht. Jetzt, mit der "linken" Mehrheit, fällt das Hin und Her bei vielen Entscheidungen auf.

Grote:

In meiner Amtszeit habe ich schon fast alle Mehrheitskonstelationen erlebt. Als Oberbürgermeister muss ich auch Dinge durchsetzen, die der jeweiligen politischen Mehrheit nicht passen. Wenn sie anfangen, parteipolitische Wünsche umzusetzen, verlieren sie die Stringenz in ihrem Handeln. Sie müssen immer die größtmögliche Schnittmenge finden. Aber Sie müssen ein Ziel vor Augen haben, dann werden Sie auch den Weg dorthin finden. Dann ist es egal, welche politischen Mehrheiten herrschen. Nehmen Sie den letzten Haushalt, sicherlich einer der schwierigsten in der Geschichte unserer Stadt. Mir ist es gelungen alle Parteien, außer der GALiN, zusammenzuführen und den Haushalt gemeinsam zu tragen.

Norderstedter Zeitung:

Sie sind zwölf Jahre im Amt. Wie steht es mit Selbstkritik: Gibt es Fehler, die Sie rückblickend erkennen?

Grote:

Wer sagt, er mache keine Fehler, hat schon den ersten gemacht. Aber dass ich sagen müsste, da ist etwas völlig falsch gelaufen oder das hätte ich nicht machen sollen - so was gab es eigentlich nicht. Man könnte mir vorwerfen, dass wir beim aktuellen Haushalt mehrfach an die Rücklagen der Stadt ran gegangen sind. Wer das kritisiert, muss dann aber auch mal fragen: Was lassen wir weg? Katharina Kriston definiert in dieser Frage die Funktion des Oberbürgermeisters zu sehr aus Hamburger Sicht. Ein Oberbürgermeister in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein bereitet die Beschlüsse vor, über die die Politik dann letztlich entscheidet. Und was ich dann vorhabe, hat nicht immer etwas mit dem zu tun, was die Mehrheit will.

Norderstedter Zeitung:

Die vergangenen Jahre waren Jahre des wirtschaftlichen Booms in der Stadt. Die kommende Amtsperiode wird von leeren Kassen und zurückgehenden Einnahmen für die Stadt geprägt sein. Wie steht es da um ihre Visionen für die nächsten sechs Jahre?

Grote:

Zunächst: Wir haben 33 Millionen an Rücklagen geschaffen in Norderstedt. Und der Haushalt ist ausgeglichen. Nur so konnten wichtige Investitionen in Schulen und Kitas überhaupt finanziert werden.

Norderstedter Zeitung:

Frau Kriston sagt, das ist zu wenig.

Grote:

Ja, mehr ist immer schön. Aber zeigen Sie mir die Stadt im Land, die das geschafft hat. Es ist schon klar: Vieles werden wir uns nicht mehr leisten können. Wenn Bürger fragen, warum bestimmte Maßnahmen im Lärmminderungsplan nicht umgesetzt wurden, dann muss ich sagen: Weil wir kein Geld dafür haben. Die meisten Bereiche in einer Stadt sind verbesserungswürdig. Nehmen Sie die Kinderbetreuung: Wir können sagen, wir sind die kinderfreundlichste Stadt im Land. Die Zahlen für die Ausgaben im Bereich Kitas und Schulen belegen das. Wir geben mehr aus als alle anderen Städte im Land.

Norderstedter Zeitung:

Moment: Viele Eltern suchen verzweifelt nach einem Betreuungsplatz für ihre Kinder in der Stadt und werden nicht fündig.

Grote:

Und ich und jedem in dieser Stadt ist das bekannt. Ich weiß um die dramatischen Veränderungen im Alltag von jungen Familien, der Krippenplatzbedarf ist riesig. Aber warum sind so viele Städte und Kommunen überschuldet? Weil sie ständig den Bedarf bedient haben. Werden nicht die gleichen Kinder, für die wir heute Kitas bauen, sie später bezahlen müssen? Nun sagen Kritiker: Sie müssen die Prioritäten anders setzen. Doch bei einem ausgeglichenen Haushalt müssen sie immer dem einen Bereich was wegnehmen, um im anderen Bereich etwas umzusetzen. Die Erwartungen der Bürger an den Staat sind ins Unermessliche Gestiegen. Der Staat ist ein abstraktes Gebilde geworden, die Menschen erkennen gar nicht mehr, dass wir alle der Staat sind. Wir müssten den Menschen jetzt immer öfter sagen, wir können das als Stadt nicht mehr leisten. Deswegen wirke ich darauf hin, dass in den Unternehmen der Stadt Betriebskindergärten eingerichtet werden - auch mit Geldern der Stadt. Wir sind da auf einem guten Weg. Ich weiß, dass das die Eltern, die jetzt ein Problem haben, kaum interessiert.

Norderstedter Zeitung:

Bei all der Diskussion um die Kleinen: Die Senioren in der Stadt beschweren sich schon, dass für sie zu wenig getan wird.

Grote:

Ältere Menschen haben sich in der Vergangenheit immer zu wenig artikuliert. Das ist jetzt anders. Früher war die Durchmischung in den Vierteln der Stadt noch homogener. Das Mehrgenerationenwohnen hat gut funktioniert. Heute suchen die Menschen nach seniorengerechten Wohnungen. Sie wollen sich verkleinern, aber in ihrem Viertel bleiben. Für uns bedeutet das: Weg von den Monostrukturen, also den reinen Einfamilienhaus-Siedlungen.

Norderstedter Zeitung:

Ein Dauerthema ist die Nachnutzung für das Gartenschau-Gelände nach der Schau 2011. Kein Wasserski, keine Gastronomie?

Grote:

Über das Thema Wasserski werden wir nach der Schau bestimmt noch einmal sprechen. Momentan sind dafür die politischen Mehrheiten nicht da. Ich halte sie aber dennoch für richtig. Für die Nachnutzung des Stadtparks ist das aber unerheblich. Wir müssen uns eher fragen, was wir jungen Leuten in dieser Stadt als Attraktionen anbieten wollen. Wasserski ist ein Thema, ebenso schwimmen oder surfen Eine Surfschule könnte man sich auch vorstellen - die Wasserfläche schreit nach einer Nutzung.

Aber auch gelegentliche Veranstaltungen auf der Freilichtbühne, die im Stadtpark entsteht, sind denkbar. Und klar ist: Es wird nach der Schau eine Gastronomie im Stadtpark geben. Die wird sich an das anlehnen, was wir aus Parks wie dem Hamburger Planten un Blomen kennen. Eine Gastronomie, bei der man in der Saison sein Eis oder Bier bekommt, mit einem Biergarten am See. Und im Winter hat die dann zu oder schenkt höchstens mal einen Glühwein aus.

Norderstedter Zeitung:

Wie kommen Sie eigentlich persönlich durch den Wahlkampf: Was tun Sie, wenn Ihnen bei all den Themen und der Diskussion irgendwann der Kopf raucht?

Grote:

Dann gehe ich in die Sauna, ins ,Arriba'.

Norderstedter Zeitung:

Sie gehen als Oberbürgermeister in eine öffentliche Sauna in der Stadt?

Grote:

Klar. Anfangs war das für viele lustig. Schau mal, ein nackter Bürgermeister! Mittlerweile haben sich alle daran gewöhnt - man kennt sich. Etwas unangenehm ist es nur, wenn man in der Umkleidekabine auf irgendwelche Themen angesprochen wird.