Sie berührt. Sie betört die Seele. Ilse-Christine Ottos Stimme schwebt in der Höhe. Durchsichtig und rein. Vor allem in den Arias von Johann Sebastian Bach und besonders in Bachs Hochzeitslied “Sich üben im Lieben“. Welch' ein Schmelz bei gleichzeitiger Klarheit!

Norderstedt. Jubilierend singt sich Ilse-Christine Otto durch die schnelle, teils vertrackte Komposition und vermittelt mit weichen Tremoli die pure Lebensfreude, die Bach in diese Aria legte. Kongenial wurde Otto von Paul Fasang an der Orgel begleitet. Der Kantor der Christuskirche Garstedt hatte das Konzert initiiert.

Ilse-Christine Otto scheut auch keinen Bruch und ließ der Bach-Liebes-Aria zwei Motetten von Paul Hindemith folgen, in denen sie jetzt mit deutlich dunklerer Klangfarbe überzeugte.

Berückend schön sang Otto die Schumann-Lieder. Die Gesangsdozentin der Hamburger Musikhochschule folgte in ihrer Interpretation nicht nur den Schumannschen Kompositionen. Sie fühlte sich hörbar den romantischen Texten verpflichtet. Alle Lieder, ob "Widmung" von Friedrich Rückert, "Die Stille" von Joseph Eichendorff, in der leichte Koketterie anklang, oder die "Lotosblume" von Heinrich Heine sang sie mit Schmelz und mit leicht flirrenden Vibrati. In "Die Soldatenbraut" von Eduard Mörike betonte sie ironisch das militärische Imponiergehabe.

In Franz Schuberts Liedern brachte die Sopranistin noch mehr die Romantik zum Ausdruck und nahm ihre starke Stimme für eine liedhafte Ausgestaltung zurück. Die letzte Strophe des Rückert-Gedichts "Du bist die Ruh" schien sie zu zelebrieren.

"Lieder zu singen ist ein Luxus, die Gelegenheit erhält man nicht oft", sagte Otto, und diese Begeisterung fürs Liedfach wirkte ansteckend. Der abschließende Höhepunkt des Konzerts war die "Vocalise" von Sergej Rachmaninow, in der die Sängerin noch einmal mit ihrem Instrument, ihrer Stimme, jubilierte, klagte, frohlockte, dramatisierte und ihre Stimme zu Musik werden ließ.