Trotz der Konjunkturkrise sehen viele Menschen Chancen in einem eigenen Unternehmen. Auch im Kreis boomen die Existenzgründungen.

Kreis Segeberg. Eine GmbH hatte Daniela Böttcher schon während ihres Studiums als Wirtschaftsingenieurin gegründet. Damit war ihr Ziel schon recht früh umrissen: Sie nahm sich fest vor, eines Tages eine eigene Firma zu gründen. Inzwischen ist die 29 Jahre alte Henstedt-Ulzburgerin zwar um einige Illusionen ärmer, aber sie ist Chefin ihres eigenen Unternehmens: "Chili Shirt" heißt ihre Firma am Suhlenkamp in Henstedt-Ulzburg. Mit einer neuen Technik bringt sie Motive auf T-Shirts, atmungsaktiv und umweltfreundlich. Das ist für Daniela Böttcher eine Art "Fingerübung" , denn eigentlich will sie später Funktionskleidung für die Luftfahrt herstellen. "Es gibt nichts vergleichbares auf dem Markt", sagt die junge Unternehmerin, die eifrig an ihrem Ziel arbeitet.

Sie holte sich Informationen bei der Industrie- und Handelskammer, beim Steuerberater - und bekam einen Dämpfer von der Kreissparkasse Südholstein, die nicht bereit war, einen Kredit über 20 000 Euro zu bewilligen. Zuvor hatte sie den IHK-Kursus "Bankgespräche erfolgreich führen" belegt. "Ich war total frustriert und wollte fast aufgeben." Die Sparkasse war von dem Konzept nicht überzeugt. Verwandte halfen mit einem Privatkredit aus, das Abenteuer konnte beginnen.

Daniela Böttcher ist zufrieden: Sie hat inzwischen etliche Privatkunden und arbeitet mit Siebdruckereien zusammen. 1600 Euro im Monat kommen noch acht Monate lang von der Arbeitsagentur als Gründungszuschuss. Damit deckt Daniela Böttcher jetzt noch ihre Einkäufe ab, aber in sieben Monaten will sie vollständig auf eigenen Beinen stehen.

Carls Nehls (29) aus Norderstedt hat Sportmanagement studiert und war zuletzt Manager eines Fitness-Studios, bevor er sich mit dem Internetportal " www.Pflege-Phase.de " selbstständig machte. Er bietet im Internet einen bundesweiten und kostenlosen Pflegeheim-Vergleich. 18 000 Adressen von Pflegeheimen und -diensten sind gespeichert. Von den meisten gibt es nur eine Adresse, aber einige zahlen 149 Euro im Monat für eine Präsentation - davon will Carl Nehls leben. Bisher nehmen den Service ein bis zwei Prozent gegen Bezahlung wahr.

Für seine Firma reichen Laptop, Faxgerät, Drucker und Schreibtisch im Reihenhaus an der Quickborner Straße. Dafür und für die Gestaltung der Homepage bezahlte er einen fünfstelligen Betrag aus eigener Tasche. Startkapital hatte der Norderstedter selbst ausreichend; derzeit lebt er hauptsächlich vom Ersparten und vom Zuschuss für Existenzgründer. Nach dem ersten Geschäftsjahr möchte er ein eigenes Büro haben.

Stefan Reinstorf aus Wahlstedt ist ein begeisterter Flieger. Deshalb lag seine Geschäftsidee nahe: Er gründete die Firma "Sky Luftwerbung": Professionelle Beratung, Bannerentwurf und -produktion, Werbeflüge in ganz Deutschland und Rundflüge. Die Idee klingt für die Industrie- und Handelskammer plausibel, aber noch muss der 24 Jahre alte Stefan Reinstorf vom Erfolg träumen: "Ich habe viele Anfragen, aber noch keine großen Aufträge."

Diese Beispiele von jungen Unternehmern sind nach den Erfahrungen der Industrie- und Handelskammer Lübeck keine Ausnahmen. Im Gegenteil: Wenn die konjunkturelle Lage schlecht ist, nimmt die Zahl der Unternehmensgründungen zu, stellt Nils Jarck fest, der von der IHK-Zweigstelle Ahrensburg aus auch den Norderstedter Raum betreut. Diese Feststellung lässt sich anhand von Statistiken untermauern, obwohl die endgültigen Zahlen für 2009 noch nicht feststehen. In den ersten drei Quartalen 2009 wurden in Schleswig-Holstein rund 24 300 Gewerbeanmeldungen angezeigt - drei Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Kreise Segeberg und Pinneberg sind im Lande Spitzenreiter bei den Neuanmeldungen.

Nicole Kerling, Existenzgründungsberaterin bei der IHK Lübeck, hat im vergangenen Jahr eine deutliche Zunahme am Beratungen für mögliche Existenzgründer registriert: Normalerweise lassen sich pro Jahr etwa 1000 Interessierte beraten, im Jahre 2009 waren es etwa 4000. Viele Ideen sind aus der Not heraus geboren, um einer drohenden Arbeitslosigkeit begegnen zu können. "Notgründungen sind aber selten gesund", sagt Nicole Kerling, die aus Erfahrung spricht. Viele sorgfältig geplante und gründlich vorbereite Unternehmen seien aber auch langfristig erfolgreich. Das hätten Untersuchungen ergeben. Sie empfiehlt potenziellen Existenzgründern eine gründliche Beratung von Steuerberatern, der Industrie- und Handelskammer oder der Handwerkskammer.

Nach den Erfahrungen von Nicole Kerling sind die Kreditinstitute durchaus gewillt, Existenzgründern mit Krediten zu helfen.