Die Kurstadt ist mit sechs Millionen Euro verschuldet. Hinzu kommen kurzfristige Kredite in Höhe von 3,4 Millionen Euro. Wolfgang Klietz hat mit Bürgermeister Hans-Jürgen Kütbach (FDP) gesprochen.

Norderstedter Zeitung:

Bad Bramstedt ist so hoch verschuldet wie noch nie. Sind die Folgen für die Bürger spürbar?

Hans-Jürgen Kütbach:

Das bleibt leider nicht aus. Zwar konnten die Folgen der Krise im Zusammenspiel von Bund, Ländern und Kommunen bislang zu großen Teilen "abgemildert" werden, aber nur um den Preis der drastischen Neuverschuldung. Unsere Stadtverordnetenversammlung war bereits gezwungen, einige Steuern zu erhöhen, was die Bürgerinnen und Bürger in der Geldbörse spüren. Außerdem stehen in diesem Monaten viele von der Stadt mitfinanzierte Angebote auf dem Prüfstand. Im Vergleich mit dem Zusammenbruch der Weltwirtschaft vor etwa 80 Jahren dürfen wir alle aber dankbar sein, dass wir bisher mit "zwei blauen Augen" davongekommen sind. Gewissermaßen mit letzter Kraft versuchen wir, unsere Bildungslandschaft vor zu harten Eingriffen zu schützen: Wenn schon die junge Generation einen Teil der heute auflaufenden Schulden abbezahlen muss, dann muss sie durch eine möglichst optimale Bildung dazu in die Lage versetzt werden.

NZ:

Hat die Stadt eine Chance, aus der Haushaltmisere herauszukommen?

Kütbach:

Selbstverständlich! Auch wenn es manchmal schwer fällt, optimistisch zu bleiben. Der Jahresabschluss 2007 fiel aufgrund des damals noch bestehenden Wachstums deutlich positiver aus, als im Vorjahr geplant. Die Krisenfolgen - verbunden mit einem massiven Einbruch bei den Steuereinnahmen - haben dieses "zarte Pflänzchen" aber wieder zunichte gemacht. Dadurch sind wir im Moment leider nicht mehr in der Lage, ohne finanzielle Hilfen des Landes auszukommen; sozusagen "Hartz IV" für Städte. Vielen Gemeinden in Schleswig-Holstein geht es inzwischen so. Die nächsten Monate werden zeigen, wie viele kommunale Leistungen wir uns in Schleswig-Holstein noch leisten können.

NZ:

Sobald die Ortsumgehung fertig gestellt ist, steht in Bad Bramstedt die Umgestaltung der Innenstadt auf der Tagesordnung. Kann die Stadt diesen Kraftakt stemmen?

Kütbach:

Konzepte für die Innenstadt und die Entwicklung von neuen Gewerbegebieten stehen schon länger auf der Tagesordnung. Die Umsetzung einzelner Maßnahmen muss dieses, spätestens nächstes Jahr beginnen. Aus finanzieller Sicht ist das ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt. Der Kraftakt wird mit einer Mischung aus privatem bzw. gewerblichem Engagement, Fördermitteln von Land, Bund und EU sowie auch kreditfinanzierten Haushaltsmitteln der Stadt gelingen. Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass diese Maßnahmen ja nicht nur die Attraktivität unserer Stadt verbessern sollen, sondern auch die Finanzkraft. Maßvolle Investitionen in diesem Bereich sind also durchaus sinnvoll.

NZ:

Warum trifft die Wirtschafts- und Finanzkrise Bad Bramstedt härter als zum Beispiel Kaltenkirchen oder Henstedt-Ulzburg?

Kütbach:

Aufgrund der Strukturpolitik der letzten Jahrzehnte - hier nenne ich z. B. den Endpunkt der Entwicklungsachse in Kaltenkirchen - konnten unsere Nachbarn im Süden ein kräftigeres Wachstum entwickeln. Bis zu einer gewissen Grenze war dies gewollt, nur dass unsere Schwerpunkte im Bereich Gesundheitswirtschaft, Tourismus, Handel und Dienstleistung heute allein nicht mehr ausreichen, um mit dem engeren Hamburg-Randgebiet mitzuhalten. Wir sind dadurch unterschiedlich immun: Hat Norderstedt einen "Schnupfen", bedeutet das in derselben Situation für Bad Bramstedt eine veritable "Grippe".

NZ:

Entscheidungen des Landes führen zu Kosten in den Kommunen, zum Beispiel bei den Schulen. Können Sie sich dagegen wehren? Fühlen Sie sich vom Land allein gelassen?

Kütbach:

Die Frage müsste ich eigentlich im Stil von Radio Eriwan beantworten: Im Prinzip "nein"! Denn die schleswig-holsteinische Verfassung zwingt Landtag und Regierung, für einen finanziellen Ausgleich zu sorgen, wenn den Kommunen neue Belastungen auferlegt werden. Das funktioniert oft aber nur in der Theorie, wie das von Ihnen genannte Beispiel zeigt. Über Jahre hat die Landesregierung schlicht geleugnet, dass mit der Änderung des Schulgesetzes relevante Zusatzlasten für die Städte und Gemeinden verbunden sind. Damit muss endlich Schluss sein! Eine ehrliche Bilanz ist der erste Schritt zu einer neuen Offenheit zwischen Staat und Kommunen. Das verlangen die Bürgerinnen und Bürger zu Recht von uns.

NZ:

Ihr Kollege Stefan Sünwoldt aus Kaltenkirchen hat eine Initiative "Pro Kommune" angeregt, um die finanziellen Interessen der Städte und Gemeinden bei Land und Bund durchzusetzen. Sind Sie dabei?

Kütbach:

Jede wirkungsvolle Unterstützung ist willkommen. Ich plädiere dafür, die kommunalen Spitzenverbände - in unserem Fall also den Städteverband - zu stärken, damit diese auf Augenhöhe mit den Regierungen mitmischen können. In Schleswig-Holstein waren wir da immer schon sehr kreativ, das macht Mut.

NZ:

In den Regierungen in Kiel und Berlin sitzen auch Ihre Parteifreunde aus der FDP. Fühlen Sie sich noch wohl in der Partei? Nimmt man dort Ihre Sorgen als Bürgermeister einer Kleinstadt ernst?

Kütbach:

Bis auf den SSW haben alle in Berlin und Kiel vertretenen Parteien in den letzten Jahren in Deutschland auf Landes- oder Bundesebene Regierungsverantwortung gehabt und so eine besondere Mitverantwortung für die jetzige Situation. Daher kommt es nicht so sehr darauf an, wie ich mich konkret in meiner Partei fühle. Niemand kann im Moment ruhig auf seinem Stuhl sitzen! Entscheidend ist ein Umdenken, denn jedes politische Konzept würde scheitern, wenn Städte und Gemeinden handlungsunfähig sind. Ich habe den Eindruck, dass diese Argumente zunehmend verstanden werden.